50 Jahre nach Franco: Wie hat sich Spanien gewandelt?

Am 20. November 1975 starb der spanische Diktator Francisco Franco. Mit dem Tod des "Caudillo" endete dessen fast 40 Jahre dauerndes faschistisches Regime und Spanien schlug als konstitutionelle Monarchie den Weg zur Demokratie ein. Kommentatoren bewerten den Wandel, den das Land seither durchlaufen hat und beschäftigen sich mit der Frage, wie heute das Erbe der Franco-Zeit noch nachklingt.

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La Vanguardia (ES) /

Enormer Fortschritt und Anlass zur Zuversicht

La Vanguardia feiert Spaniens rasante Modernisierung:

„Parallel zur gesellschaftlichen Revolution verlief die kulturelle Revolution. Unter Franco war so gut wie alles, was nicht verboten war, Pflicht. Die Demokratie brachte eine kopernikanische Wende in den Sitten. … Das Land überwand seine Rückständigkeit und positionierte sich in manchen Bereichen sogar an der Spitze. 1978 wurde die Verfassung verabschiedet und die Antibabypille legalisiert; 1981 kam das Scheidungsgesetz; 1985 wurde Abtreibung entkriminalisiert; im selben Jahr unterzeichnete Spanien den EU-Beitrittsvertrag; 2005 wurde die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt. … Der in den letzten 50 Jahren erzielte kulturelle und soziale Fortschritt beweist unser Potenzial und gibt Anlass zu Zuversicht für die Zukunft.“

The Times (GB) /

Ohne starke Männer läuft es besser

Der Erfolg der demokratischen Wiedergeburt spricht für sich, findet The Times:

„1975 war Spanien politisch isoliert. Als rückständiges Land unter seinen weiter entwickelten Nachbarn war es von einer agrarischen Wirtschaftsstruktur abhängig, gezeichnet von städtischem Verfall und 40 Jahren technokratischer politischer Repression. Die Lebenserwartung lag damals bei 73, heute liegt sie bei 84 Jahren. ... Die enormen Verbesserungen des Lebensstandards und der kulturellen Freiheit sind ein Beweis für die beispiellose Kraft liberaler, demokratischer Normen. Sie sind auch eine Zurechtweisung der oberflächlichen Alternative, die populistische Bewegungen in ganz Europa anbieten, wenn sie leichtfertig behaupten, dass starke Männer an der Macht von Vorteil wären.“

eldiario.es (ES) /

Verharmlosung in Memes und Clips

Warum die Auseinandersetzung mit dem Erbe der Diktatur weitergeht, erklärt Politologin Anna López in eldiario.es:

„Es heißt, der Franquismus sei mit dem Diktator gestorben. Doch Vieles hat in anderer Form überlebt. … Der sogenannte 'soziologische Franquismus' ist eine Denkweise, die nie vollständig überwunden wurde und sich angepasst hat. Heute zeigt sie sich im digitalen Raum der Rechtsextremen und in bestimmten Bereichen der Politik. Gruppierungen wie Vox sind keine exakten Kopien des Franquismus, sondern seine kulturellen Erben: Aus dem historischen Autoritarismus wurde systemkritische Ästhetik. … Die Verharmlosung des Franquismus ist raffiniert, sie kursiert in 30-Sekunden-Videos, Memes und Clips. … Die Diktatur wird als Zeit von 'Ordnung und Wohlstand' gedeutet, im Gegensatz zum gegenwärtigen Chaos.“

L'Humanité (FR) /

Ideologische Erben liegen auf der Lauer

Spanien hat mit der franquistischen Vergangenheit noch lange nicht abgeschlossen, beobachtet Alain Mila, Anwalt und Nachfahre spanischer Republikaner, in L'Humanité:

„Obwohl bereits viel getan wurde, sind auch heute noch Spuren der Diktatur sichtbar, wie beispielsweise in Straßennamen und Denkmälern. … Die spanische Regierung unter Pedro Sánchez will zum 50. Todestag des Diktators ein Zeichen setzen und alle Überbleibsel beseitigen. Doch die aufrührerischen Anhänger der Partei Vox, die sich offen als Erben des Franquismus bekennen, liegen auf der Lauer!“