Erdoğan-Aufritt: Kriegsrhetorik und Kindertränen

Mit Kopfschütteln und Entsetzen quittieren viele Beobachter den Auftritt Erdoğans auf einer AKP-Veranstaltung in Kahramanmaraş im Südosten der Türkei. Der Präsident holte dort am Wochenende ein weinendes Mädchen in Militäruniform auf die Bühne und ließ es wissen, dass Soldaten nicht weinten. Danach fragte er die Kleine indirekt, ob sie bereit sei, als Märtyrer für die Türkei zu sterben.

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Kathimerini (GR) /

Tränen sind die einzig richtige Antwort

Verständnis für das Verhalten des Mädchens hat Kolumnist Pantelis Boukalas in Kathimerini:

„Mögen die Drehbuchautoren und Regisseure der Partei es vorher noch so viel trainiert haben - das Mädchen hat es geschafft, das zu bleiben, was es tatsächlich ist: ein Kind. Ein Kind, das allen Grund zum Weinen hat, wenn es von den Erwachsenen für ihre Spiele instrumentalisiert wird. … Erdoğan wollte ein Theater des chauvinistischen Selbstvertrauens und der Kriegsbereitschaft inszenieren, aber das Ergebnis war das Gegenteil dessen, was er erwartete. Dasselbe gilt für die Operation Olivenzweig in Afrin, wo der kurdische Widerstand seine Träume von einem problemlosen Vormarsch lächerlich macht.“

Politis (CY) /

Wer traut sich noch, den Krieg abzulehnen?

Wo Kinder in Militäruniform auf die Bühne geholt werden, gibt es keine Hoffnung auf Frieden, konstatiert der zyperntürkische Kolumnist Şener Levent in Politis:

„Ein Kind, ein kleines Mädchen, trägt eine Militäruniform. Es ist sogar die Uniform der Bordo Bereliler [Spezialeinheit der türkischen Streitkräfte]. … Wenn Sie möchten, rahmen Sie sich dieses Bild und hängen sie es an die Wand. Eine einzigartige Erinnerung für die Zukunft! ... Erdoğan sagte, was er zu sagen hat: 'Die türkische Flagge hat sie in der Tasche und wenn sie als Märtyerin fällt, wird man sie, so Gott will, damit bedecken.'. Das sind die Kinder einer Generation, die Angst hat, den Krieg abzulehnen. Sie wachsen mit den Bordo Bereliler auf. Zu Unrecht habe ich seit so vielen Jahren Frieden verlangt. Frieden macht nicht glücklich - doch im Krieg gibt es Profit.“