Femizid erschüttert Türkei

Der brutale Mord an einer Frau durch ihren Exmann hat in der Türkei für große Empörung gesorgt. Emine Bulut war am 18. August vor den Augen ihrer zehnjährigen Tochter erstochen worden, ein Video eines Zeugen zeigt die Tat. Nach Drohungen ihres Exmanns hatte sich Bulut noch am Tag der Tat an die Polizei gewandt, die aber offenbar nicht handelte. Woher kommt die extreme Gewalt gegen Frauen?

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Karar (TR) /

Gesellschaft braucht einen Mentalitätswandel

Gewalt gegen Frauen ist in der Türkei vor allem ein Mentalitätsproblem, glaubt die konservative Tageszeitung Karar:

„Ein großer Teil der Bevölkerung spricht dem Mann das Recht auf Gewalt an Frauen zu. Dies beruht im Wesentlichen auf der Tatsache, dass die Beziehung zwischen Mann und Frau als eine 'Eigentumsbeziehung' angesehen wird. Männer werden gewalttätig, weil ihre Ehefrauen sich scheiden lassen wollen oder die Männer nicht dulden, dass die geschiedene Frau erneut heiratet. ... Das bedeutet, dass der Schutz von Frauen vor Gewalt nur durch radikale Änderungen der sozialen Werturteile möglich ist. Das muss durch eine gesellschaftliche Mobilisierung geschehen und erfordert radikale Schritte im Bildungssystem ebenso wie in den Medien. ... Ebenso braucht der religiöse Diskurs eine Revision.“

Milliyet (TR) /

TV-Serien verharmlosen Gewalt

Im Visier der Öffentlichkeit sind nun auch türkische TV-Serien, beobachtet Milliyet:

„Gewalt gegen Frauen ist nicht bloß ein Problem unseres Landes. Es gibt sie auf der ganzen Welt und überall werden Filme darüber gemacht. Im Detail geht es jedoch darum, wie auf die Situation geblickt wird. In unseren Drehbüchern wird es so dargestellt, dass der 'Platz der Frau zuhause ist' und 'der Mann alles tut, er liebt ebenso wie er schlägt'. Anschließend wird gesagt, das sei die 'Realität unseres Landes'. ... Solange Frauenmördern Strafmilderung wegen guter Führung in Aussicht gestellt wird und es allgemeine Verteidigungen gibt wie 'was spaziert sie denn auch nachts draußen herum', und solange der patriarchale Blick und die Kritik von Gesellschaft und Justiz an Frauen bestehen bleiben, sind Serien der Spiegel des Ganzen.“