Litauens Angst vor dem neuen AKW in Belarus

Im belarusischen Ostrowez, nur 45 Kilometer von Vilnius entfernt, soll im August ein neues Kernkraftwerk ans Netz gehen. Litauen bemängelt dessen Sicherheitsstandards, konnte aber Lettland und Estland bisher nicht dazu bewegen, das postsowjetische Stromnetz Brell gemeinsam zu verlassen und auf billige Energie aus Belarus zu verzichten.

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Eesti Päevaleht (EE) /

Sicherheit statt Boykott

Eesti Päevaleht findet, Estland sollte Litauen in der Frage von Ostrowez unterstützen, aber nicht mit einem gemeinsamen Boykott:

„Es ist nicht realistisch, dass Belarus aufgrund von Druck aus Litauen auf die Eröffnung des AKW verzichten wird. Vernünftig wäre, den Stromkauf nicht völlig abzulehnen, sondern dafür zu sorgen, dass Belarus alle Sicherheitsvorkehrungen im AKW gewährleistet. Wahrscheinlich verstehen auch die Litauer, dass Ostrowez nicht verschwinden wird, aber da am 11. Oktober in Litauen Parlamentswahlen sind, ist es ein gutes Thema für Politiker. ... Die baltischen Staaten müssen in der Frage von Ostrowez einen Kompromiss finden, der auch die Interessen von Lettland und Estland berücksichtigt.“

Lietuvos rytas (LT) /

Wirtschaftlichkeit siegt über Sicherheit

Wenn sich das Baltikum uneins ist, profitiert wieder einmal Russland, bedauert Lietuvos rytas:

„Das AKW in Ostrowez soll schon Anfang August starten, und Lettland zeigt sich aus wirtschaftlichen Überlegungen weiterhin bereit, dort produzierten Strom zu kaufen. Was kann Litauen tun, damit Lettland seine Position ändert? Fast nichts. Der einzige Ausweg könnte Druck aus der EU sein. Die litauische Regierung und Präsident Nausėda klopfen an Brüssels Tür. Anderseits kann ein solches Handeln der bilateralen Beziehung zwischen Vilnius und Riga zusätzlich schaden. Der sich zuspitzende Konflikt im Baltikum und das steigende Risiko, dass die Angleichung an den Westen gefährdet wird, kommen Minsk und besonders Moskau zu Gute.“

Diena (LT) /

Vilnius hat Versäumnisse selbst zu verantworten

Wenig Verständnis für den Aufschrei in Litauens Politik zeigt Diena:

„Welches andere Land spricht laut von der Liberalisierung des Energiemarktes und verbietet per Gesetz, den Strom von einem bestimmten Anbieter zu kaufen? … Was hat die Regierung in den letzten 30 Jahren gemacht, damit wir das sowjetische Netz Brell verlassen und uns mit Polen zusammentun? Genau gar nichts. Wir haben nur Gerede gehört, doch tatsächlich haben die Vermittler, die durch diese Abhängigkeit Millionen verdienen, das nicht erlaubt. So ist es eben mit unseren Oligarchen: Der Mund schreit patriotische Parolen, aber der Arm steckt bis zum Ellenbogen in der Hosentasche von Russland. Wir sollten die Situation rational beurteilen und mit dem Schwachsinn aufhören.“