Norwegen wählt links: Abkehr vom Öl?

Die Sozialdemokraten von Jonas Gahr Støre haben die norwegische Parlamentswahl für sich entschieden. Nach acht Jahren konservativer Regierung stehen die Zeichen damit auf Mitte-Links - wie in ganz Skandinavien. Doch die Koalitionsverhandlungen könnten zäh werden, denn beim dominierenden Thema des Wahlkampfes - der Zukunft der staatlichen Ölförderung - sind sich die möglichen Partner alles andere als einig.

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Göteborgs-Posten (SE) /

Schwäche strategisch umgangen

Die Sozialdemokraten sollte man eben nie unterschätzen, schreibt Göteborgs-Posten:

„Inzwischen regieren Sozialdemokraten in ganz Skandinavien (außer in Island, das allerdings links ist). Und das, obwohl die sozialdemokratischen Parteien im Vergleich zu noch vor einigen Jahrzehnten stark geschwächt sind. Die Sozialdemokraten waren einfach geschickt darin, strategische Allianzen mit der Mitte aufzubauen. Dies in einer von Fragmentierung geprägten parteipolitischen Landschaft mit immer mehr Parteien und Konfliktdimensionen im gesamten nordischen Raum.“

The Irish Times (IE) /

Skandinavien fest in sozialdemokratischer Hand

Offenbar kann man im Norden Europas wieder mit klassischen sozialen Themen punkten, stellt The Irish Times fest:

„Die Ergebnisse der norwegischen Parlamentswahl in dieser Woche deuten auf einen klaren politischen Wandel hin. ... Der Erfolg nicht nur der Sozialdemokraten, sondern auch der Sozialistischen Linken und der extremen Linken deutet darauf hin, dass grundlegende Themen, die finanzielle Auswirkungen auf die breite Masse haben, in der norwegischen Innenpolitik immer noch äußerst bedeutsam sind. Mit dem Sieg von Jonas Gahr Støre werden Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland nun allesamt sozialdemokratisch regiert. Eine solche Konstellation gab es zuletzt 2001.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Keine einheitliche Parteienfamilie

Die nordische Sozialdemokratie ist sehr divers, beobachtet die Neue Zürcher Zeitung:

„Das zeigt sich nur schon beim Blick auf die Leaderfiguren und ihre politischen Triebfedern. In Schweden und Finnland sind es mit Stefan Löfven und Sanna Marin ein klassischer Industriearbeiter und eine junge Frau aus einer Regenbogenfamilie. ... Prägend für ihren Lebenslauf war nicht zuletzt die Erfahrung des nordischen Wohlfahrtsstaats, der allen eine Chance zu geben versucht. ... Das gilt in gewissem Sinn auch für Dänemarks Mette Frederiksen. ... Doch ihre politischen Rezepte, etwa was die Einwanderungs- oder auch die Arbeitsmarktpolitik betreffen, liegen ideologisch schon ziemlich weit weg von denjenigen Schwedens. ... Wie sich Norwegens Sozialdemokraten unter Jonas Gahr Störe als Regierungspartei profilieren werden, wird sich zeigen.“

Keskisuomalainen (FI) /

Jetzt kommen die unangenehmen Diskussionen

Die neue Regierung wird sich mit der Zukunft der Ölproduktion beschäftigen müssen, meint Keskisuomalainen:

„Klima- und Umweltfragen waren das größte Thema während des norwegischen Wahlkampfs. Norwegen hat einen guten Ruf als Vorreiter bei globaler Verantwortung und Klimapolitik und gemessen an der Einwohnerzahl die meisten E-Autos. Der Pensionsfonds, der die norwegischen Ölreichtümer verwaltet, investiert nicht mehr in Steinkohle, aber auch das Öl steht im Fokus globaler Klimaberichte. … Die norwegischen Grünen haben das Ende der Ölproduktion bis 2035 zur Koalitionsbedingung gemacht, aber nicht alle großen norwegischen Parteien, ob rechts, links oder in der Mitte, sind zu einem Ausstieg bereit. ... Die Forderung der Grünen bringt sie aber in eine peinliche Lage, denn alle im Parlament vertretenen Parteien stehen hinter dem Pariser Klimaabkommen.“

Dziennik Gazeta Prawna (PL) /

Grünes Bohrverbot wohl zu radikal

In Sachen Erdöl und Erdgas dürfte es auf einen Kompromiss hinauslaufen, erklärt Dziennik Gazeta Prawna:

„Die potenziellen Koalitionspartner müssen ihre Positionen zur Zukunft der Energiegewinnung einander annähern. ... Die linke SV fordert mit Nachdruck ein Verbot neuer Erdöl- und Erdgasexplorationen. Die Zentrumspartei befürwortet neue Bohrungen, während die Sozialdemokraten zwar Umweltauflagen erfüllen wollen, aber auch um die Arbeitsplätze in der Förderindustrie fürchten. Wegen des Streits um Neuerschließungen ist es unwahrscheinlich, dass die Umweltpartei der Grünen, die einen vollständigen Stopp der Öl- und Gasförderung bis 2035 fordert, in die Regierung kommt.“