Führt der Lehrermangel zum Bildungsnotstand?

In ganz Europa kehren Kinder und Jugendliche nach den Sommerferien allmählich in die Klassenräume zurück - doch aus ganz Europa kommen auch Berichte über einen massiven Mangel an Lehrpersonal. Nicht nur, dass der Nachwuchs fehlt, viele verlassen auch den Schuldienst und suchen eine Beschäftigung in anderen, besser bezahlten Bereichen. Stimmen aus europäischen Medien.

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Le Monde (FR) /

Auch Referendare müssen gut bezahlt werden

Die Reform der Lehrerausbildung in Macrons erster Amtszeit hat den Schuldienst noch unattraktiver gemacht, kritisiert Soziologe Pierre Merle in Le Monde:

„Die Studierenden machen die Lehramtsprüfung nicht mehr am Ende des ersten Masterjahres, sondern des zweiten. Das zweite Masterjahr ist dem Verfassen einer Abschlussarbeit, einer Drittelstelle an einer Schule und der Prüfungsvorbereitung gewidmet. Ungeheuerliche Anforderungen. Die Reform hat aus über 20.000 Referendaren, die monatlich 1.500 Euro netto erhalten, studentische Praktikanten gemacht, die nur halb so viel bekommen. Klammheimlich lässt Minister Blanquer die Berufseinsteiger verarmen. Um lächerliche Einsparungen zu verwirklichen, hat er die Zukunft geopfert.“

Új Szó (SK) /

Fatale Verblödung

Auch in der Slowakei ist die Situation im Bildungswesen dramatisch, beobachtet Új Szó:

„Laut Studien werden in den slowakischen Schulen im Jahr 2025 rund 8.600 Pädagogen fehlen. ... Wegen der Unterfinanzierung des Bildungssektors sind die Schulen in einem erbärmlichen Zustand. Es fehlt an allen Ecken und Enden an pädagogischen Hilfsmitteln. ... Die schlechte Entlohnung der Lehrerschaft tut ihr übriges. ... Sollte sich die Situation im Bildungswesen weiter verschlechtern, werden wir letztlich verblöden. Die herrschende Elite, in deren Interesse das ist, könnte uns dann nach Belieben manipulieren, kontrollieren, gegeneinander aufhetzen und unterdrücken.“

Élet és Irodalom (HU) /

Vollmundige Versprechen reichen nicht

Während die Diät des ungarischen Premiers satt erhöht wurde, gehen Lehrerinnen und Lehrer leer aus, kritisiert Élet és Irodalom:

„Die Regierung kündigte vollmundig an, die Löhne der Pädagogen innerhalb der nächsten drei Jahre um jeweils zehn Prozent zu erhöhen. Allerdings wird diese Erhöhung bereits in diesem Jahr von der Inflation zunichte gemacht. ... Ein diplomierter Lehrer in Ungarn verdient zu Beginn seiner Laufbahn Netto 210.000 Forint (rund 500 Euro). Demgegenüber mutet es absonderlich an, dass Orbáns Gehalt erst jüngst von Brutto 1,3 Millionen (rund 3.140 Euro) auf Brutto 3,5 Millionen Forint (etwa 8.450 Euro) erhöht wurde.“

Český rozhlas (CZ) /

Investitionen auch in Krisenzeiten notwendig

Für Tschechiens Bildungssektor gibt es immerhin einen schwachen Lichtblick, merkt Český rozhlas an:

„Glücklicherweise hat die Regierung erst kürzlich eine Erhöhung der Lehrergehälter auf 130 Prozent des tschechischen Durchschnittslohns beschlossen - wenn auch erst für 2024. ... Allerdings dürften die Verhandlungen über den Haushalt des kommenden Jahres kompliziert werden. Da werden diesmal besonders viele Hände ausgestreckt. Um Menschen zu helfen, die wirklich von Krisen betroffen sind. Investitionen in die Bildung könnten auf bessere Zeiten verschoben werden. Aber Bildung hat auch während eines Kriegs Priorität, damit Tschechien wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger gegen weitere Krisen wird.“