Schweiz: Frauen müssen länger arbeiten

In einer Volksabstimmung haben die Schweizer für die Erhöhung des Rentenalters von Frauen von 64 auf 65 Jahre gestimmt. Mit einer knappen Mehrheit von 51 Prozent votierten sie für die Anpassung an das Eintrittsalter der Männer. Die Regierung hatte dafür geworben, weil geburtenstarke Jahrgänge nun das Rentenalter erreichen und die Lebenserwartung steigt. Müssen jetzt grundlegende Reformen für die Geschlechtergerechtigkeit wie Lohnanpassungen angegangen werden?

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Süddeutsche Zeitung (DE) /

Ein bitterer Geschlechterkampf

Die Schweiz interessiert sich offenbar nur dann für die Gleichstellung der Geschlechter, wenn es um die Verteilung der Lasten geht, kritisiert die Süddeutsche Zeitung:

„Nach wie vor ist externe Kinderbetreuung in dem Land ein Luxus, den sich die meisten Familien nur an wenigen Tagen die Woche leisten können. ... Schweizerinnen [erhalten] nur knapp 67 Prozent einer durchschnittlichen Männerrente. Und da hat man viele andere haarsträubende Dinge noch gar nicht erwähnt. Dass Schweizerinnen bis zur Geburt arbeiten müssen zum Beispiel, weil es keinen Mutterschutz gibt. ... Laut Umfragen im Vorfeld hat eine überwältigende Mehrheit der Männer für die Erhöhung gestimmt, und fast zwei Drittel der Frauen dagegen. Am Ende gaben 0,57 Prozent der Stimmen den Ausschlag. Ein bitterer Geschlechterkampf.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Bereit für nötige Änderungen

Die Neue Zürcher Zeitung fordert schon weitere Reformen der Rentenkasse:

„Der 25. September 2022 wird in die Geschichte der Schweizer Altersvorsorge eingehen - als ein guter Tag. 75 Jahre nach der Gründung der AHV [Alters- und Hinterlassenenversicherung] erbringt die Mehrheit den Beweis dafür, dass sie bereit ist, das Sozialwerk an die Anforderungen der Gegenwart anzupassen und dafür auch eigene Nachteile in Kauf zu nehmen. ... Es gibt noch viel zu tun. Trotz der nun beschlossenen Reform drohen ab 2029 neue Defizite in der Umlagefinanzierung der AHV.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Die Männer beim Wort nehmen

Der Tages-Anzeiger sieht nun die Notwendigkeit frauenpolitischer Reformen:

„Eine überaus knappe Mehrheit der Stimmberechtigten will die AHV finanziell stabilisieren und dazu das Referenzalter von Frauen und Männern angleichen. Das ist richtig so. ... Trotzdem hat die Gegnerschaft der AHV-Reform einen Punkt. Manche Befürworter, darunter viele bürgerliche Männer, haben hinter vorgehaltener Hand argumentiert: Ich bin ja schon für Gleichstellung, aber halt auch dann, wenn Frauen etwas verlieren! Sie sind nun in der Pflicht, zu ihren Worten zu stehen. Und zwar dort, wo Frauen heute tatsächlich stark benachteiligt sind.“