EZB: Wie ist die Zinserhöhung einzuordnen?

Nach der Federal Reserve der USA und der Bank of England hat auch die EZB ihren Leitzins noch einmal um 0,5 Prozentpunkte erhöht, um die Inflation einzudämmen. Die Anhebung fiel niedriger aus als zuletzt. Gleichzeitig kündigte EZB-Chefin Lagarde jedoch weitere Erhöhungen fürs kommende Jahr an. Die Inflation in der Eurozone war im November leicht von 10,6 auf 10 Prozent zurückgegangen.

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Corriere della Sera (IT) /

Strenger als die Kommission

Corriere della Sera analysiert:

„Mit der Pandemie hat sich ein struktureller Wandel in der Eurozone vollzogen, der sich erst jetzt deutlich abzeichnet. Während der langen Phase der Euro-Krise waren die Kommission und der Rat der Finanzminister in der Haushaltspolitik restriktiver als nötig, und die EZB kompensierte dies (teilweise) mit einem expansiven Kurs. Seit einiger Zeit ist jedoch das Gegenteil der Fall. ... Nicht zum ersten Mal, seit Christine Lagarde Präsidentin ist, hat die EZB die Märkte mit einem restriktiven Kurs überrascht, während die Politiker in Brüssel in Bezug auf Schulden und Defizite weniger rigide vorgehen. ... Der Kurswechsel ist auf die Fakten zurückzuführen. Vor einem Jahr erwartete niemand, dass die Inflation im Herbst 2022 über zehn Prozent liegen würde.“

Corriere del Ticino (CH) /

Das Dilemma der Eurozone

Für die Währungshüter der USA und der Schweiz ist es einfacher, die restriktive Geldpolitik weiterzuführen, als für die Euro-Länder, erklärt Corriere del Ticino:

„Die durchschnittliche Inflation liegt bei 10 Prozent mit Spitzenwerten von fast 20 Prozent, und die Wachstumsaussichten sind in den verschiedenen Volkswirtschaften des Kontinents unterschiedlich, da sie in unterschiedlichem Maße den Folgen des Kriegs in der Ukraine und damit Putins Erpressung durch russisches Gas ausgesetzt sind. Für den EZB-Rat ist es daher schwieriger, den Kurs einer Geldpolitik beizubehalten, die gleichzeitig mit den Wachstumszielen der verschiedenen Länder und der Kontrolle der Inflation vereinbar ist.“

La Libre Belgique (BE) /

Keine große Erleichterung für Anleger

Die Finanzplätze können noch nicht wirklich aufatmen, befürchtet La Libre Belgique:

„In den Handelssälen erklangen Seufzer der Erleichterung: Die Straffung der Geldpolitik zum Bremsen der Inflation war weniger brutal als die vorherigen Schritte. Dennoch haben die Finanzmärkte nachgegeben, allen voran die Aktien. Die Investoren haben vielleicht etwas zu schnell einer Rückkehr zur Normalität in Sachen Preisentwicklung vorgegriffen. … Die Liquiditäten, die die am Tropf hängenden Wirtschaften überströmt haben, haben eine andere Inflation genährt: die der Finanzanlagen wie Aktien von Technologiefirmen, Kryptowährungen und Immobilien. Und diese Blasen schrumpfen, was noch schwierigere Momente für die Investoren bereithält.“