Türkei: Oppositionsbündnis präsentiert Programm

Das Sechs-Parteien-Bündnis, das im Mai bei der Präsidentschaftswahl gegen Recep Tayyip Erdoğan antreten will, hat sein Wahlprogramm vorgestellt. Es sieht vor allem vor, das Präsidialsystem wieder zu einem parlamentarischen System umzugestalten. So soll der Präsident unter anderem nurmehr sieben Jahre amtieren, weniger Vetorechte im Parlament haben und keine Dekrete mehr erlassen dürfen. Gemischtes Echo in der Presse.

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Yetkin Report (TR) /

Auf dem Weg zur Heilung

Das Bündnis hat sein Kernanliegen mit dem Programm gut getroffen, lobt Journalist Murat Yetkin auf seinem Blog Yetkin Report:

„In dieser Form - ich sage das nicht missbilligend, sondern im Gegenteil anerkennend - erhebt es den Anspruch, ein Projekt zur Restaurierung zu sein, also zur Reparatur und Heilung. Über zwanzig Jahre lang hat die AKP-Regierung besonders im Bereich Infrastruktur wichtige Schritte unternommen, aber diese Schritte wurden unternommen ohne Rechenschaft abzulegen, mit einer beispiellosen Verschleierung, Vetternwirtschaft und Straflosigkeit. Insbesondere nach der Verfassungsänderung von 2017 und den Wahlen 2018 haben wir erlebt, dass die Gleichgewichts- und Kontrollmechanismen unter einer einhändigen Exekutivgewalt aufgelöst wurden.“

Handelsblatt (DE) /

Zum Scheitern verurteilt

Ozan Demircan, Istanbul-Korrespondent des Handelsblatts, ist nicht überzeugt:

„Die drittgrößte Partei des Landes HDP durfte dem größten Bündnis gegen Erdogan nicht beitreten - weil die Nationalisten dagegen sind. In Umfragen führen einige Figuren der CHP, die noch auf Staatsgründer Kemal Atatürk zurückgeht, vor Erdogan. Doch ihr Parteichef möchte sie nicht aufstellen. ... Aus dem Bündnis gegen Erdogan wird ein Bund, der zum Scheitern verurteilt ist. In der Türkei gewinnen Wahlen Anführer wie Erdogan, die keine Kompromisse eingehen. Der Zwist in der Opposition schadet dem Bündnis. Kein Wunder, dass Erdogan in Umfragen wieder zulegt.“

Sabah (TR) /

Rückschritt statt Fortschritt

Das Bündnis will anscheinend zurück zur alten Türkei, rümpft die regierungstreue Sabah die Nase:

„Es ist nicht schwer, den Ansatz eines Konsenses zu erraten, der Fetö [hypothetische Organisation, die für den Putschversuch 2016 verantwortlich gemacht wird] und PKK zuzwinkert. ... Ohnehin wollen sie alle Investitionen inklusive Istanbul-Kanal stoppen. ... Auch die Zerstörung der großen Fortschritte im Gesundheitssystem gehört zu den Zielen des Sechsertisches. Stadtkrankenhäuser werden schließen. Die Menschen werden sich wieder morgens um vier Uhr in die Schlangen der staatlichen Krankenhäuser stellen müssen.“