Gruppe Wagner: Machtkampf mit dem Kreml?

Während ukrainische und russische Streitkräfte sich einen erbitterten Kampf um die Stadt Bachmut liefern, hat der Chef der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, mit einem Abzug seiner Söldner gedroht. Als Grund gab er an, notwendige Munition sei nicht geliefert worden. Kommentatoren fragen sich, was ein möglicher interner Machtkampf unter russischen Militärs bedeuten könnte.

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La Stampa (IT) /

Krieg im Krieg

Bachmut ist eine begehrte Trophäe, erörtert Russland-Expertin Anna Zafesova in La Stampa:

„Jewgeni Prigoschin, der Gründer der Wagner-Gruppe, hat keine Hemmungen, sich als der Einzige darzustellen, der in der Lage ist, die 'Festung Bachmut' für den Kreml zu erobern, und dabei das russische Militär zu beschuldigen, ihm Steine in den Weg zu legen. Wladimir Putin will diese von seiner Artillerie fast dem Erdboden gleichgemachte Stadt als erste Trophäe, die er den Russen zeigen kann, nachdem es ihm in mehr als sieben Monaten nicht gelungen ist, auf der Schlachtkarte bedeutend vorwärts zu kommen. So wird Bachmut zu einem Preis, um den sich die beiden Armeen Putins streiten, die offizielle, die dem Verteidigungsministerium untersteht, und die private, die Wagner-Gruppe von Jewgeni Prigoschin.“

France Inter (FR) /

Interne Rivalität sondergleichen

Kolumnist Pierre Haski zeigt sich im Radiosender France Inter irritiert vom Vorgehen Prigoschins:

„Er verbreitet überraschende Videos, darunter eins am Samstagabend, in dem er verkündet, dass die gesamte russische Front einbreche, sollte Wagner Bachmut verlassen. Diese Äußerung ist umso überraschender, als die Russen behaupten, sie hätten die Stadt fast umzingelt. ... Warum spricht Prigoschin dann so, als stünde die Niederlage unmittelbar bevor? Er beschwert sich, nicht die notwendige Munition zu erhalten und macht General Gerassimow implizit dafür verantwortlich. Diese interne Rivalität ist in Kriegszeiten beispiellos. Ebenso wie das Schweigen des Kreml.“

Kleine Zeitung (AT) /

Prigoschin hat sich selbst überschätzt

Die Kleine Zeitung sieht schwarz für den Söldner-Chef:

„Prigoschin ist ein Geschöpf Putins - und versucht sich jetzt gegen seinen Herrn zu wenden. Das wird nicht gutgehen. Er mag sich als Herausforderer Putins inszenieren, doch Prigoschin selbst hat im russischen Sicherheitsapparat keinen Rückhalt und keine Hausmacht; ebenso wenig hat er, wie etwa Gouverneure, eine Region hinter sich. Prigoschin hat seine Rolle überschätzt. Nicht wenige prophezeien ihm bereits einen plötzlichen Fenstersturz. So dramatisch muss es nicht kommen. Aber politische Karriere in Russland sollte sich Prigoschin keine mehr erhoffen. Der Koch hat zu sehr an seinem eigenen Süppchen gekocht.“

La Vanguardia (ES) /

Alle Augen blicken auf Bachmut

Die nächsten Monate könnten ausschlaggebend für den Kriegsverlauf sein, meint La Vanguardia:

„Wir haben es nicht mit einem unbedeutenden Geschehen am Rande, sondern mit einem entscheidenden Moment zu tun. Wenn die Ukraine die nächsten zwei oder drei Monate durchhält, sind die Chancen für ein endgültiges Patt hoch und Wladimir Putin wird eine Lösung des Konflikts aushandeln müssen. Bachmuts Sturz war vor einigen Tagen so gut wie sicher. ... Aber Bachmut hat sich nicht ergeben, und der Anführer der Gruppe Wagner forderte gestern das russische Verteidigungsministerium auf, seinen Kämpfern mehr Munition zu schicken, weil seine Streitkräfte kurz vor dem Zusammenbruch stünden. ... Der Ausgang ist also ungewiss, und alle Augen blicken auf die bisher unbekannte Stadt Bachmut.“