Kirche in Spanien: Hunderttausende Missbrauchsopfer?

Ombudsmann Angel Gabilondo hat die Ergebnisse einer Untersuchung vorgelegt, nach der Hunderttausende Minderjährige in der katholischen Kirche Spaniens seit den 1960er-Jahren missbraucht worden sein könnten. Von gut 8.000 Befragten gaben 0,6 Prozent an, in kirchlichen Einrichtungen Opfer von sexuellem Missbrauch geworden zu sein. Das würde eine hochgerechnete Zahl von rund 440.000 Gesamtopfern bedeuten. Was tut jetzt not?

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Gazeta Wyborcza (PL) /

Den Kern des Problems ins Visier nehmen

Gazeta Wyborcza hält die genauen Opferzahlen für eine Nebensache:

„Ganz gleich, wie die dokumentierbaren Statistiken und Zeugenaussagen aussehen, ob es 300.000 oder 400.000 Opfer gab, es ist klar, dass das Phänomen der Pädophilie in der spanischen Kirche weit verbreitet war, jahrzehntelang verschwiegen und vertuscht wurde und die katholische Kirche auch heute noch versucht, es zu verharmlosen. Die spanische katholische Kirche war sehr viel widerwilliger bei der Aufdeckung von Pädophilie in ihren Reihen als andere europäische Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Portugal, wo die Angelegenheit von unabhängigen gesellschaftlichen Kommissionen untersucht wurde, mit denen die katholischen Institutionen aufrichtig zusammenarbeiteten.“

El País (ES) /

Die Wahrheit muss Folgen haben

El País betont die Verantwortung von Staat und Kirche:

„Die Zahlen sind erschütternd. ... Der Ombudsmann hat Recht, wenn er den Staat, der für das Bildungssystem verantwortlich ist, wo die meisten Fälle passiert sind, zur Rechenschaft zieht. ... Ebenso hat die Kirche die Pflicht, Mittel für die Betreuung und Wiedergutmachung der Opfer bereitzustellen. Die Einrichtung eines staatlichen Wiedergutmachungsfonds reicht nicht. Er kann die Kirche nicht von ihrer Verantwortung entbinden. ... Die Wahrheit, die der Bericht des Ombudsmannes aufgedeckt hat, muss in gesellschaftliche Maßnahmen umgesetzt werden. Nur so kann eine der dunkelsten und traumatischsten Episoden in der jüngeren Geschichte unseres Landes wirklich enden.“

eldiario.es (ES) /

Aufrichtige Wiedergutmachung anstreben

Eldiario.es hofft auf eine Spaltung der Kirche in Spanien:

„Die Vertreter der Kirche müssen sich dafür entschuldigen, dass sie für so viele Kinder und Jugendliche in unserem Land ein Ort des Grauens waren. ... Vielleicht ist die Ungeheuerlichkeit so groß, dass sie lieber schweigen und in der Stille beten. ... Hoffentlich kommt es zu einer Abspaltung innerhalb der Kirche seitens derjenigen, die ihren Glauben aus anderen Quellen nähren, aus dem Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit und dem Engagement für die Menschenrechte. ... Nur wenn die Kirche ihre eigene Revolution macht, ihr eigenes Se Acabó [Es reicht!], kann jedem der Opfer wirkliche und aufrichtige Wiedergutmachung zukommen.“