Ukraine: Was können Verhandlungen jetzt bringen?

Die russische Regierung hat vorgeschlagen, am Montag erneut in Istanbul Verhandlungen über eine Waffenruhe aufzunehmen und will dabei ihre Bedingungen in einem Memorandum klarstellen. Unterdessen erhielt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch von Bundeskanzler Friedrich Merz in Berlin Zusagen über deutsche Militärhilfe in Höhe von fünf Milliarden Euro.

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La Stampa (IT) /

Gespräche ohne große Erwartungen

La Stampa analysiert:

„Russland schlägt ein neues bilaterales Treffen mit den Ukrainern in Istanbul vor. Kyjiw wird es akzeptieren müssen. Es abzulehnen, wäre ein Fehler. Auch wenn Kyjiw nicht an dessen Nutzen glaubt, denn nichts deutet auf Moskauer Seite auf ein Waffenstillstandsangebot hin, das wiederum für Kyjiw Priorität hätte, denn ohne Gewehrfeuer (oder besser Raketen und Drohnen) über dem eigenen Kopf lässt sich besser verhandeln. Aber die Ukraine kann es sich nicht leisten, als diejenige Seite aufzutreten, die sich gegen wie auch immer geartete Verhandlungen stellt. Das eigentliche russische Spiel besteht darin, zu spalten: Kyjiw von Washington, die USA von Europa, die Europäer voneinander.“

24tv.ua (UA) /

Moskaus Spiel auf Zeit

In 24tv.ua stehen für Kolumnist Witalij Portnykow die Zeichen auf Stillstand:

„Trotz der scharfen Rhetorik gegenüber Putin, die in den letzten Tagen zu hören war, gibt Trump dem russischen Staatschef die Chance, weiterhin Zeit zu schinden. Putin wird diese Gelegenheit gerne nutzen. ... Man kann davon ausgehen, dass die Verhandlungen [am Montag in Istanbul] in derselben Atmosphäre wie die vorigen verlaufen werden: Russland wird Bedingungen stellen, die der ukrainischen Seite kaum gefallen dürften, und die Ukraine wird versuchen, zumindest ihre Teilnahme an den Gesprächen zu sichern, um nicht den Zorn des US-Präsidenten auf sich zu ziehen.“

Der Freitag (DE) /

Der Krieg wird weiter toben

Einer baldigen Waffenruhe sind die in Berlin angekündigten Maßnahmen nicht zuträglich, kritisiert der Freitag:

„Kiew erhält noch einmal Militärhilfe im Wert von fünf Milliarden Euro, um seine Armee in die Lage zu versetzen, weiterhin kriegsfähig zu sein, sofern Moskau keiner bedingungslosen Feuerpause zustimmt. Das dürfte vorerst nicht der Fall sein, wie alle Beteiligten nur zu genau wissen. ... Der Selenskyj-Besuch in Berlin hat mehr als verdeutlicht, dass die Regierung Merz ihren Beitrag dazu leisten will, dass die militärische Konfrontation weitergehen kann und die Ukraine dem gewachsen ist. Es werden damit die durch Russland und die USA bereits angezeigten möglichen Lösungsoptionen vom Tisch gewischt.“

Postimees (EE) /

Russland wird verunsichert

Die unklar gelassenen Botschaften aus Berlin haben durchaus eine positive Wirkung, glaubt Postimees:

„Deutschland hat offensichtlich nicht die Absicht, der Ukraine Taurus-Raketen zu übergeben. Die Ankündigungen des deutschen Bundeskanzlers, der Ukraine Waffen mit größerer Reichweite uneingeschränkt zur Verfügung stellen zu wollen, haben jedoch in den russischen Medien und sozialen Netzwerken ein sehr emotionales Echo hervorgerufen. Alles in allem trägt ein solcher kleiner Medienhype durch Deutschland dazu bei, die unrealistischen Forderungen Russlands nach einem Ende des Krieges zu entkräften und Russlands Informationsarbeit in den Medien zu stören.“

Dnevnik (SI) /

Endlich auf Diplomatie setzen

Militärische Logik bietet keine Lösungsoption mehr, konstatiert Dnevnik:

„Tiefes Misstrauen zwischen den Parteien, unterschiedliche Interpretationen und widerstreitende strategische Interessen stellen gewaltige Hindernisse dar. Doch gerade deshalb müssen diplomatische Bemühungen intensiviert und nicht aufgegeben werden. Internationale Organisationen, einflussreiche Staaten und neutrale Akteure müssen eine aktivere Rolle bei der Eröffnung des Dialogs, der Suche nach innovativen Friedensvorschlägen und beim Brückenbauen spielen, auch wenn alle Wege versperrt scheinen. ... Ein Fortbestand des Status quo verspricht nur weitere Zerstörung und Leid. Es ist an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft die Notwendigkeit des Friedens mit der gleichen Entschlossenheit unterstützt, die sie beim Recht auf Selbstverteidigung zeigt.“