Nach Selenskyj-Besuch: Trump wieder auf Putin-Kurs?

Wolodymyr Selenskyj hat am Freitag Donald Trump im Weißen Haus besucht – und keine Zusage für die zuvor von den USA signalisierte Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern bekommen. Der US-Präsident hatte am Vortag bei einem Telefongespräch mit Putin einen USA-Russland-Gipfel in Budapest vereinbart. Die Medien erörtern die Bedeutung von Trumps erneuter Volte.

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La Stampa (IT) /

Niedrige Priorität

Trumps Gedanken kreisen um andere Fragestellungen, lautet das Fazit von La Stampa:

„Keine Tomahawks, aber auch keine bösen Worte. Beim Verlassen des Weißen Hauses lächelt Selenskyj gezwungen und sagt so wenig wie möglich. ... Vielleicht hat er verstanden, dass die Ukraine nicht ganz oben auf der internationalen Prioritätenliste des amerikanischen Präsidenten steht. Jedenfalls nicht so weit oben, dass er dafür die Beziehungen zu Russland opfern würde. Vor allem, weil für Trump die Sicherheit Europas und anderer Verbündeter wie Kyjiw nicht so wichtig ist wie die Beziehungen zu den Großmächten, wenn es um die Durchsetzung der amerikanischen Interessen in der Welt geht.“

Wolodymyr Fessenko (UA) /

Waffenruhe wäre im Sinne Kyjiws

Nach dem Gespräch mit Selenskyj schrieb Trump auf Truth Social: 'Sie sollten dort aufhören, wo sie sind'. Politologe Wolodymyr Fessenko analysiert diese Aussage auf Facebook:

„Das kann als Aufruf zu einem Waffenstillstand entlang der Frontlinie interpretiert werden. Auf genau eine solche Form der Kriegsbeendigung hatten sich die USA und die Ukraine bereits am 11. März 2025 in Saudi-Arabien geeinigt. Sollte Trump Putin tatsächlich zu einem Abkommen über einen Waffenstillstand drängen, wäre das für uns ein durchaus akzeptables Szenario. ... Es ist durchaus wahrscheinlich, dass entweder vor dem Treffen in Budapest oder im Anschluss an den Gipfel ein amerikanischer Friedensplan zur Beendigung des russisch-ukrainischen Kriegs veröffentlicht wird.“

The Sunday Times (GB) /

Und wieder lässt Trump die Ukraine hängen

Der US-Präsident sollte dringend seine Entscheidung überdenken, der Ukraine vorerst keine weitreichenden Waffen zu liefern, appelliert The Sunday Times:

„Dieser Besuch Selenskyjs im Weißen Haus war zwar weniger explosiv als jener zu Beginn des Jahres, als Trump und US-Vizepräsident JD Vance den ukrainischen Präsidenten verbal attackierten. Doch er blieb ergebnislos. ... Trump betont, dass er sich von Putin nicht zu dessen Werkzeug machen lasse – aber genau danach sieht es aus, und das muss sich ändern. ... Jetzt ist es an der Zeit, die Ukraine nicht im Ungewissen zu lassen, sondern die Sache zu Ende zu bringen. Und das bedeutet, genügend Tomahawk-Raketen bereitzustellen, um Russland einen Frieden zu Bedingungen aufzuzwingen, die die Ukraine nicht benachteiligen.“

Trud (BG) /

Tomahawks würden den Krieg nur eskalieren

Trumps Absage, Tomahawks an die Ukraine zu liefern, war richtig, schreibt Trud:

„Hätte er Selenskyj die Tomahawks gegeben, hätte das bedeutet, dass die Ukrainer sofort begonnen hätten, die wichtigsten russischen Waffenfabriken anzugreifen. Dies hätte sofort zu einer ungeheuren Zerstörung ukrainischer Städte und der gesamten Infrastruktur durch den Kreml geführt. Das heißt, die Folgen für die Ukraine wären schrecklich gewesen. Selbst perfekte Waffen wie Tomahawks können den Krieg nicht für die Ukraine entscheiden. ... Warum sind Selenskyj und seine Leute überhaupt zu Trump gegangen, um Tomahawks zu erbitten? Verstehen sie nicht, was ihnen blüht?“

Die Presse (AT) /

Europa bietet diplomatisch gar nichts

Die Presse kritisiert, dass die EU es nicht fertiggebracht hat, einen eigenen Friedensplan auszuarbeiten:

„In den Kreml gibt es nach wie vor keinen relevanten Draht. Das überlässt Europa dem 'Daddy' im Weißen Haus. Dass nun der nächste Gipfel zwischen Trump und Putin ausgerechnet in jenem Land stattfinden soll, das eine gemeinsame EU-Linie bei jeder Gelegenheit torpediert, ist eine ausgesuchte Bosheit. Damit treiben Trump und Putin einen Keil in die EU, die sie beide möglichst schwach sehen wollen. Ungarns Premier Orbán spielt bereitwillig mit. Es hat jedoch niemand die EU daran gehindert, selbst einen realistischen Plan auszuarbeiten, den Ukraine-Krieg zu beenden. Sorry, das ist keine Diplomatie, das ist gar nichts.“