Gewalt gegen Frauen: Wo versagt die Gesellschaft?
Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen hat die Uno Statistiken veröffentlicht. Demnach wird etwa alle zehn Minuten eine Frau oder ein Mädchen Opfer tödlicher Gewalt innerhalb der Beziehung oder Familie. Die genannten Zahlen seien erschreckend hoch und doch "nur die Spitze des Eisbergs", stellt der Bericht klar. Europas Presse reflektiert.
Ererbte Strukturen im Alltag hinterfragen
Einen Kampf, der einen langen Atem braucht, sieht El Periódico de Catalunya:
„Wieder ein Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, und er zeigt uns, dass wir keine Fortschritte machen. … Das System basiert auf Rollen und trägt die Wirtschaft. … Widerstand gegen den Feminismus ist Ausdruck von Machtstrukturen, die fortbestehen, weil sie Vielen nützen. Ungleichheit ist nicht unvermeidlich, sondern ein über Jahrhunderte aufgebautes, aufrechterhaltenes soziales Muster. … Die wahre Revolution besteht darin, diese überkommenen Strukturen im Alltag zu hinterfragen.“
Erpressung, Ausgabenkontrolle, Geldentzug
Auf die wirtschaftliche Gewalt gegen Frauen weist Ökonomin Rachel Silvera in Alternatives Économiques hin:
„Diese ist wenig sichtbar. Sie erfolgt schleichend, ist kein Gegenstand von Debatten und schwer messbar. Zumeist handelt es sich um wirtschaftliche Erpressung, Ausgabenkontrolle oder Geldentzug, die vom Partner des Opfers ausgehen. ... Anfangs ist sie oft sehr subtil, trägt aber dazu bei, Einfluss über die Frauen zu erlangen. Sie führt dazu, dass der Partner die wirtschaftlichen Entscheidungen allein trägt, eine wirtschaftliche Abhängigkeit von ihm entsteht und die Fähigkeit des Opfers, für seine Bedürfnisse oder die seiner Kinder aufzukommen, eingeschränkt wird.“
Nicht als unveränderliches Phänomen akzeptieren
Die rumänische Europaparlamentarierin Gabriela Firea erinnert in Adevărul an die 51 Frauen, die im laufenden Jahr in ihrem Land durch Femizide starben:
„Dieser Tag sollte nicht nur ein Tag der Besinnung, sondern auch der Verantwortung sein. Wir gedenken nicht nur dessen, was wir verloren haben, sondern erkennen auch, was wir vermeiden können. Denn Gewalt gegen Frauen ist nicht unvermeidlich. Sie ist kein nationales Charaktermerkmal, keine 'Tatsache'. … Gewalt ist ein politisches, ein soziales, ein moralisches Problem. Die 51 Frauen, die in diesem Jahr getötet wurden, können nicht mehr gerettet werden. Aber in ihrem Namen müssen diejenigen geschützt werden, die weiter in Angst leben, dass sie die nächste Nummer auf der Liste werden.'“
Schweden wird seinem Selbstbild nicht gerecht
Sydsvenskan fordert:
„Schweden, das sich gerne als jenes Land der Welt rühmt, in dem die Gleichberechtigung wohl am weitesten gediehen ist, hat nach wie vor große Probleme mit Gewalt in engen Beziehungen, die sich vor allem gegen Frauen richtet. Mit gewissen Schwankungen von Jahr zu Jahr wird laut dem Nationalen Rat für Kriminalprävention (Brå) etwa jede Woche eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. Die Regierung hat einige Maßnahmen ergriffen, nicht zuletzt gegen ehrbezogene Gewalt und Unterdrückung. Aber es bleibt noch viel zu tun, um dieser alltäglichen Gewalt, die mehr oder weniger unvermindert anhält, Einhalt zu gebieten.“
Aufschwung der Rechten erhöht die Gefahr
El País fordert einen parteiübergreifenden Pakt:
„Die Gesellschaften haben sich weiter entwickelt. Heute kann man Missbrauch aufdecken, der früher unbemerkt blieb. ... Aber die geschlechtsspezifische Gewalt hat kaum abgenommen, und die Fortschritte werden durch den besorgniserregenden Aufschwung der antifeministischen extremen Rechten bedroht. ... Die Infragestellung des Rechts auf Abtreibung, das Misstrauen gegenüber Frauen, die Missbrauch anzeigen, die Abschaffung von Unterstützungs- und Schutzsystemen sowie verständnisvolle Äußerungen gegenüber sexistischen Mördern beflecken die gesamte Gesellschaft. ... Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden. Wir brauchen einen Staatspakt. ... Nur geschlossen können wir das Drama stoppen, das bereits Tausende von Todesopfern gefordert hat.“