Nach Anschlag in Sydney: Was muss sich ändern?
Nach dem Attentat am Bondi Beach gehen die Ermittler davon aus, dass es sich um einen antisemitisch motivierten Anschlag handelt und die Täter von der Ideologie der Terrormiliz IS beeinflusst waren. Die beiden Angreifer schossen am Sonntag an Sydneys berühmten Strand auf Teilnehmer einer Feier zum jüdischen Lichterfest Chanukka. 15 Menschen wurden getötet, 40 weitere verletzt. Wie nah Australien ist, zeigt ein Blick in Europas Presse.
Jüdische Mitmenschen brauchen jetzt ein Zeichen
Wichtig sei es nun, nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen, fordert Der Freitag:
„Sondern sich klarzumachen, dass es Menschen in diesem Land gibt, die von dieser Tat betroffen sind, weil sie gemeint sind. Dass Sydney nicht weit weg ist, weil auch in Deutschland erst vor wenigen Monaten drei mutmaßliche Hamas-Mitglieder verhaftet wurden, die Anschläge auf jüdische Einrichtungen geplant haben sollen. Die Antwort auf den Hass kann im Kleinen beginnen: Jüdischen Menschen ein Zeichen geben, dass sie nicht allein sind. Dass ihr Leid, ihre Angst, ihr Schmerz gesehen werden.“
Nichts kann solch ein Morden rechtfertigen
Wer solche Attentate etwa mit Hinweisen auf Israels Rolle in Gaza rechtfertigt, hat etwas ganz Grundsätzliches nicht verstanden, mahnt Financial Times-Journalist Stephen Bush:
„Antisemitismus scheint nicht nur den moralischen Kompass vieler Menschen zu stören, sondern auch ihren tatsächlichen Orientierungssinn. Bondi Beach liegt nicht in Israel. … Es gibt keine Handlung Israels – oder irgendeines anderen Staates –, die es für mich akzeptabel machen würde, aus 'Vergeltung' wahllos Morde zu begehen. ... Alle bekannten Attentäter der vergangenen zwei Jahre waren Männer, ebenso wie die überwiegende Mehrheit von Terroristen und gewalttätigen Kriminellen Männer sind. Das würde mich nicht dazu berechtigen, einfach Männer anzugreifen, wenn sie sich versammeln, um Fußball zu schauen.“
Polarisierung hilft keinem
NRC warnt davor, Kritik an Israel pauschal als Antisemitismus zu verwerfen:
„Für Antisemitismus darf es niemals Raum geben, für Kritik an Israel hingegen schon. Dass Politiker und Organisationen beides nun in einem Atemzug nennen, weil es ihnen gerade gelegen kommt, ist nicht hilfreich. Die Antwort auf einen Anschlag sollte immer Mitgefühl sein und darf niemals zu einer weiteren Polarisierung führen. Damit erweisen Politiker und Behörden der Gesellschaft keinen Dienst, und es ist auch nicht der richtige Weg, um Antisemitismus zu verhindern.“
Kritik an Netanjahu ist kein Antisemitismus
Nach dem Anschlag in Sydney kritisiert die israelische Regierung Australien wegen seiner Anerkennung Palästinas. Dagens Nyheter kommentiert:
„Juden sollten niemals kollektiv für das Leid verantwortlich gemacht werden, das der Staat Israel im Gazastreifen und im Westjordanland verursacht hat. Kritiker der israelischen Regierung sollten aber auch nicht für die Gewalttaten von Extremisten verantwortlich gemacht werden. Es erschwert zudem den Kampf gegen Antisemitismus, wenn die Teilnahme an diesem Kampf von der Haltung zu Netanjahus Politik abhängt. Denn es ist offensichtlich, dass ein gemeinsames Vorgehen gegen Antisemitismus notwendig ist. In Australien, aber auch im Rest der westlichen Welt, einschließlich Schweden. Staat und Gesellschaft müssen mobilisiert werden.“
Nie nach Glauben oder Nationalität urteilen
Das mutige Eingreifen des zufällig anwesenden Obsthändlers Ahmed al Ahmed hat vermutlich Menschenleben gerettet. Ein Video zeigt, wie er einen der beiden Attentäter zu Boden wirft und entwaffnet. Historiker Andrej Subow reflektiert auf Facebook:
„So wie es aussieht, sind sowohl die Mörder als auch der unerwartete Verteidiger der jüdischen Gemeinschaft Muslime und handelten in der Überzeugung, dass ihr Glaube und ihr Gott ihnen dies so gebieten. Die Schlussfolgerung aus diesem schrecklichen Ereignis ist schlicht und lehrreich. Man darf niemals den Glauben eines anderen Menschen und einen Menschen wegen seines Glaubens verunglimpfen. Ebenso wenig wie wegen seiner Nationalität. Das ist der Weg der Mörder. Mörder sehen oft nicht den Menschen, sondern dessen Glauben oder Nationalität. ... Ein gruppenorientierter Ansatz ist immer falsch.“