EZB entscheidet über Anleihenkauf

Der EZB-Rat wird aller Voraussicht nach am heutigen Donnerstag den umfangreichen Ankauf von Staatsanleihen beschließen. Die Entscheidung könnte die Euro-Zone weiter spalten, wenn Krisenstaaten ihren Sparkurs verlassen und reiche Länder ihre Solidarität aufkündigen, fürchten einige Kommentatoren. Andere sehen darin einen wichtigen Schritt, um die Schuldenländer aus ihrer Finanzmisere zu holen.

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Diário de Notícias (PT) /

Zentralbank trifft Schicksalsentscheidung

Der angekündigte EZB-Beschluss zum Kauf von Staatsanleihen, ist die bedeutendste geldpolitische Maßnahme seit Bestehen des Euro, kann aber auch das Todesurteil für die EU-Solidarität bedeuten, meint die liberal-konservative Tageszeitung Diário de Notícias: "Es ist ein entscheidender Wendepunkt - aus mehreren Gründen. Zum einen aus einer wirtschaftlichen Perspektive heraus: Das Risiko einer Deflation ist nicht mehr bloß eine journalistische Fantasie. Es kann die Entscheidungen der europäischen Verbraucher sowie der Unternehmen beeinflussen und uns in eine längere Stagnation oder gar Rezession treiben. Der andere Grund ist politisch: Falls Draghi entscheiden sollte, dass die Anleihekäufe durch die EZB ausschließlich durch die jeweiligen nationalen Notenbanken abgedeckt werden (wie es Deutschland fordert), dann wird sich der  Euroraum weiter aufspalten, weil dies dem Grundsatz der Solidarität widerspricht."

Hospodárske noviny (SK) /

Ungleicher Anleihenkauf gefährdet Euro-Zone

Die Entscheidung der EZB, ein breitangelegtes Programm zum Ankauf von Staatsanleihen zu starten, könnte in letzter Konsequenz zum Zerfall der Euro-Zone führen, meint die wirtschaftsliberale Tageszeitung Hospodářské noviny: "Nicht nur der Markt wartet auf eine Entscheidung der EZB, sondern vor allem die Länder mit Problemen. ... In erster Linie Griechenland, dessen Anleihen jedoch nicht die Bedingungen erfüllen, die ein Programm der EZB nach jetzigen Voraussagen stellen sollte. Eine Entscheidung könnte Einfluss auf die griechischen Wahlen am Wochenende haben, bei der die radikal linke Gruppierung Syriza als Favorit gilt. Sollte die EZB ein Programm auflegen und Griechenland davon ausschließen, wäre das der erste Schritt zum Zerfall der Euro-Zone oder der Anfang des Abschieds Griechenlands als Euroland."

La Libre Belgique (BE) /

EZB kann Währungsunion nicht allein retten

Märkte und Politiker der europäischen Krisenländer warten schon lange auf ein Programm zum Staatsanleihenkauf. Die liberale Tageszeitung La Libre Belgique dämpft dagegen die Hoffnungen in die Rettungskünste des EZB-Chefs: "Gewisse bedeutende Ökonomen meinen, Mario Draghi habe sich zu sehr von den deutschen Forderungen beeinflussen lassen und viel zu lange gezögert. Dadurch würden die Effekte der in der EZB-Geschichte bislang einzigartigen Schocktherapie beeinträchtigt. ... Abgesehen von den Währungssorgen wird Europa aber vor allem von einem Mangel an Vertrauen geplagt, welcher Konsum, Investitionen und Neueinstellungen hemmt - kurzum Zukunftsprojekte. Die Auswirkungen der Sparpolitik, der für unsere Jugend verheerende Anstieg der Massenarbeitslosigkeit, die Zunahme nationalistischer Tendenzen - all dies verstärkt die Unzufriedenheit. ... Mario Draghi ist zum Leidwesen der Staats- und Regierungschefs, die höchstwahrscheinlich zu viel von ihm erwarten, kein Wundertäter."

Die Zeit (DE) /

Draghi und Tsipras helfen Europa aus der Krise

Wenn sich der EZB-Rat für den Ankauf von Staatsanleihen entscheidet und das Linksbündnis Syriza mit ihrem Chef Alexis Tsipras am Sonntag die Wahl in Griechenland gewinnt, könnte die Euro-Zone endlich aus der Krise kommen, vermutet die liberale Wochenzeitung Die Zeit: "Dass Tsipras so populär ist, hat damit zu tun, dass er nicht zu jener politischen Klasse gehört, die das Land heruntergewirtschaftet hat. Und genau darin liegt die Chance. ... Denn eine Regierung, die nur die breite Masse belastet und die privilegierte Oberschicht in Ruhe lässt, ist auch moralisch diskreditiert. Wenn es Tsipras dagegen gelänge, endlich die reichen Griechen zu besteuern und deren Vermögen zur Krisenbekämpfung heranzuziehen, dann würde er dafür in ganz Europa bejubelt. ... Und Draghi und die EZB? Die Euro-Zone wird nur aus der Krise kommen, wenn in den Südländern das Wachstum zurückkehrt. Dabei wird die Notenbank helfen. Bei aller Kritik aus Deutschland handelt die EZB also ihrem Namen gemäß: europäisch."