Trump wird nominiert - und bleibt umstritten

Donald Trump ist auf dem Parteitag der Republikaner in Cleveland zum Präsidentschaftskandidaten gekürt worden – wobei mehrere Delegierte dies zuvor noch lautstark zu verhindern suchten. Kommentatoren bezeichnen die Nominierung als Debakel für die Republikaner und zeigen sich besorgt über den Zustand der US-Politik.

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La Stampa (IT) /

Untergang der traditionellen Parteien

Die US-Republikaner ereilt das gleiche Schicksal wie die traditionellen Parteien in Europa, analysiert die Tageszeitung La Stampa:

„Mit dem Debakel der Republikaner wird die neue Politik nach Amerika exportiert, die in Großbritannien Konservative wie Labour mit dem Brexit hat entgleisen lassen, die in Frankreich mit Le Pen Sozialisten und Gaullisten in die Ecke drängt, die in Italien Grillo hoch über Berlusconi und den streitsüchtigen Demokaten thronen lässt. Angesichts des mickrigen Wachstums, der verlorenen Arbeitsplätze, die in einer digitalen Wirtschaft erst wieder geschaffen werden müssen, stottern die traditionellen Parteien herum. Die Populisten tischen währenddessen lautstark die Ammenmärchen auf, nach denen der unglückliche Wähler so lechzt. Also lacht nicht über die exzentrischen Schnitzer von Trump und seiner pittoresken Familie. Die Welle der paranoiden Politik, die sie ankündigen, rollt schon über Europa hinweg und setzt - wie Martin Wolf in der Financial Times bitter resümiert - 'unsere Gesellschaft' aufs Spiel.“

Polityka (PL) /

Trump könnte in der Muppet-Show mitmachen

Als negative Entwicklung, die der ganzen Welt schadet, sieht Jacek Żakowski vom Nachrichtenmagazin Polityka die US-Präsidentschaftswahl:

„Jetzt können die US-Amerikaner im November bei der Wahl zwischen Pest und Cholera entscheiden. Denn bereits Barack Obama hatte Probleme, sich im US-Kongress durchzusetzen. Hillary Clinton dürfte dies noch weniger gelingen. Bei Trump wiederum gibt es eine andere Schwierigkeit: Wenn er sich als möglicher neuer US-Präsident auf der höchsten Ebene mit dem Chef der britischen Diplomatie trifft, Boris Johnson, dann wirkt das auf mich wie eine Art Muppet-Show. Das zeigt, wie unseriös die Politik selbst der internationalen Großmächte geworden ist. Und das gerade jetzt, wo die Lage weltweit Anlass zu großer Sorge gibt. Und das Szenario, das für den Westen am schlechtesten wäre [das Trump gewinnt], dürfte wahrscheinlich auch eintreten.“

Berliner Zeitung (DE) /

US-Politikbetrieb total verdorben

Der weitere Verlauf des US-Wahlkampfes scheint ziemlich vorhersehbar - doch kritische Fragen sollte man gerade deshalb weiterhin stellen, fordert die Berliner Zeitung:

„Wer spricht, und insbesondere: Wer spricht nicht und bleibt dem Parteitag fern? Immerhin sind das einige bekannte Republikaner gewesen, die zeigen, dass Trump auch in der eigenen Partei polarisiert. ... Warum ist es ausgerechnet in Amerika, das so sehr für demokratische Werte steht, gar nicht mehr überraschend, dass die Frau eines Ex-Präsidenten aufgrund von aufgebauten Kontakten, Machtmechanismen und Finanzierungsvehikeln die besten Chancen auf die Kandidatur hat? Dass die Bush-Dynastie auch dieses Mal einen ihrer Söhne ins Rennen schickte und unter 'normalen' Bedingungen, also ohne Trump, vielleicht sogar Erfolg gehabt hätte? Das sollte uns, trotz aller Überraschungen, für die Donald Trump gesorgt hat, nach wie vor mehr überraschen als es das oft tut.“