Katalonien hat gewählt - und nun?

Bei den Neuwahlen in Katalonien haben die drei separatistischen Parteien ihre Mehrheit verteidigt. Sie kommen zusammen auf 70 von 135 Sitzen im Parlament. Stärkste Partei wurde jedoch mit 37 Sitzen die liberale Partei Ciudadanos, die strikt gegen eine Abspaltung von Spanien ist. Ihr fehlen allerdings Koalitionspartner. Für Europas Kommentatoren hat die Wahl zwar noch nichts gelöst, aber einiges klargestellt.

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Berliner Zeitung (DE) /

Die Probleme fangen erst an

Für die Berliner Zeitung bleibt die Situation in Katalonien vertrackt:

„Was immer an aufregenden Dingen in den vergangenen Monaten geschehen ist, es hat die Katalanen nicht beeindruckt. Sie sind bei ihren Grundüberzeugungen geblieben: für oder gegen die staatliche Unabhängigkeit. ... Im Detail gibt es zwei Sieger. Inés Arrimadas, die die liberalen Ciutatans elf Jahre nach ihrer Gründung zur unbestritten stärksten Kraft unter den Spanien-treuen Parteien gemacht hat. Und Carles Puigdemont, den viele nach seiner Flucht nach Belgien schon politisch abgeschrieben hatten. ... Doch weder Arrimadas noch Puigdemont werden ihre Siege auskosten können: Auf die eine wartet aller Voraussicht nach die Rolle der Oppositionschefin, auf den anderen das Gefängnis. Katalonien ist im Moment sehr vertrackt. Die Probleme haben gerade erst begonnen.“

Público (PT) /

Klares Statement gegen die Extreme

Nach Monaten der Hochspannung haben die Regionalwahlen zumindest manches klarer gemacht, stellt hingegen Público fest:

„Die erste Fußnote gilt der enormen politischen Mobilisierung: eine Stimmenthaltung von rund 18 Prozent ist auf europäischer Ebene ein historischer Wert und bestätigt die Intensität, mit der die Politik das Leben in Katalonien dominiert. Der zweite wichtige Aspekt ist, dass die Katalanen die radikalsten Stimmen abgelehnt haben: Rajoys konservative Volkspartei (PP) wurde mit Irrelevanz abgestraft. ... Und die Extremisten der linkspopulistischen Partei CUP haben eine Niederlage unerwarteten Ausmaßes erlitten. ... Der Sieg der liberalen Partei Ciudadanos ist in hohem Maße auf die Weisheit von Inés Arrimada zurückzuführen: auf ihre Fähigkeit, diejenigen anzusprechen, die nicht unabhängig sein wollen, aber sich eben auch nicht in der Intoleranz von Madrid/Rajoy wiederfinden“

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La Repubblica (IT) /

Zeit, wieder miteinander zu reden

Katalonien hat sich Madrid nicht gebeugt, urteilt La Repubblica und mahnt zur Dialogbereitschaft:

„Die Wahl zeigt, dass man in Europa nicht mittels Gerichtsverfahren, Handschellen, Schlagstöcken und Dekreten regieren kann, wie dies der spanische Premier Rajoy versuchte. ... Die Urnen haben das hochheilige Prinzip des Rechts auf Selbstbestimmung verteidigt. Dieses Prinzip jedoch zum politischen Programm zu machen, wäre ein fataler Fehler. ... Die europäischen Staaten haben Rajoy nicht bedingungslos unterstützt. Brüssel hatte sich dafür eingesetzt, dass der spanische Premier so rasch wie möglich Wahlen einberief, nachdem er die katalonische Autonomie aufgehoben hatte. Nun ist der Moment gekommen, den Dialog wieder aufzunehmen, der niemals hätte unterbrochen werden dürfen.“

El Mundo (ES) /

Ohrfeige für Konservativismus à la Rajoy

El Mundo sieht in der liberalen Partei Ciudadanos die Zukunft der spanischen Konservativen:

„Das erbärmliche Scheitern der PP verdient eine Bemerkung am Rande. Nicht nur, dass die Partei, die den Artikel 155 [zur Aufhebung von Kataloniens Autonomierechten] angewandt hat, dies nicht für sich nutzen konnte. ... Ciudadanos geht aus dieser Wahl so gestärkt hervor, dass sie der PP das politische Terrain in ganz Spanien streitig machen könnte. Zwar ohne große Erfahrung, aber dafür voller Mut und ohne jegliche Kompromisse gegenüber den Separatisten bietet sich die Partei von Albert Rivera an, das spanische Mitte-rechts-Spektrum zu besetzen.“