Paketbomben in den USA: Wer ist verantwortlich?

Rund zwei Wochen vor der Kongresswahl ist in den USA eine Anschlagsserie mit Paketbomben vereitelt worden. Diese waren an politische Gegner Trumps adressiert, unter anderem an Hillary Clinton, Barack Obama, Milliardär George Soros und Schauspieler Robert De Niro. Für Kommentatoren offenbaren die Anschlagsversuche ein Klima des Hasses, zu dem verschiedene Akteure beigetragen haben.

Alle Zitate öffnen/schließen
El Mundo (ES) /

Trump schafft Nährboden für Gewalt

Für El Mundo ist Trump mit schuld an der Eskalation der Gewalt:

„Das unerträgliche Klima der Polarisierung in den USA unter Trumps Präsidentschaft führt zu einer besorgniserregenden Banalisierung der Gewalt. Und das Schlimmste dabei ist, dass der Präsident persönlich dazu beiträgt. Nachdem Briefbomben an Politiker der Demokraten, einschließlich Obama, sowie bekannte Persönlichkeiten wie De Niro und Soros verschickt wurden, schiebt er den Medien die Schuld zu und sagt, die 'falschen Berichte' schürten den Hass. Und auch wenn sich kein direkter Zusammenhang zwischen den Bomben und Trumps Hasstiraden gegen seine Gegner herstellen lässt, sollte dieser doch darüber nachdenken, welchen Nährboden er schafft, wenn er über seine Gegner spricht, als seien es Feinde in einem Krieg.“

The Guardian (GB) /

Worte sind Taten

Noch deutlicher wird The Guardian:

„Sowohl im Wahlkampf als auch während seiner Präsidentschaft hat Trump direkt zu politischer Gewalt aufgefordert. Er sprach sich dafür aus, dass Protestierende bei seinen Kundgebungen zusammengeschlagen werden; er tweetete ein simuliertes Video, in dem er wie in einem Ringkampf auf CNN einprügelt; er ermutigte die Polizei, Tatverdächtige hart anzugehen; und er lobte einen Politiker, der den Guardian-Journalist Ben Jacobs angegriffen hatte. ... Wenn Trump eine Welt voller betrügerischer Gegner und lügnerischer Journalisten malt und diese Vorwürfe nicht einmal im Entferntesten wahr sind, legt er den Grundstein für Angriffe wie in dieser Woche. … Worte sind Taten und Taten haben Folgen.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Noch gibt es keinen Schuldigen

Dass sich die Rhetorik auch von Trumps Gegnern immer weiter radikalisiert, beobachtet Der Tagesspiegel:

„Psychiater attestieren dem Präsidenten per Ferndiagnose einen krankhaften Narzissmus. Andere spekulieren über Demenz. Trumps Anhänger wiederum werden als steuerbar, willenlos, eindimensional, frustriert, abgehängt, ungebildet und wütend charakterisiert. Das ist nicht minder verletzend - und soll es auch sein. Wer in dieser aufgeheizten Atmosphäre - als Reaktion auf die Anschlagsversuche - den Bogen überspannt, riskiert viel. Bislang gibt es weder einen Verdächtigen noch einen Täter noch ein Bekennerschreiben. Manchmal bedarf es großer Geduld, um die richtigen Lehren aus einem Ereignis ziehen zu können.“

Iswestija (RU) /

Auch die Demokraten haben das Klima vergiftet

Amerikanist Juri Roguljow macht das demokratische Lager sogar direkt für die Spaltung der Gesellschaft verantwortlich. Er schreibt in Iswestija:

„Gerade die Demokraten führen seit Monaten eine Kampagne gegen den Präsidenten, sein Umfeld und die Republikaner. Sie beschuldigen ihre Gegner allerlei Verbrechen und versuchen, die sogenannte Verschwörung Trumps mit Russland zu beweisen. ... Man kann den Demokraten nun leicht vorwerfen, sie hätten die Gesellschaft in so einen Zustand gebracht - und bekämen nun als Antwort solche 'Geschenke'. Bezeichnend, dass CNN Trump indirekt schon für alles beschuldigt hat, da dieser eine aggressive Kampagne gegen die Medien führe. Genau darin liegt der Zweck einer Provokation: Alle beginnen, sich gegenseitig zu beschuldigen.“

De Standaard (BE) /

Bürger ziehen sich in ihre Filterblasen zurück

Die starke Zerrissenheit der US-Gesellschaft beschreibt auch Peter Van Aelst, Professor für politische Kommunikation, in De Standaard:

„Es wäre falsch, Trump die alleinige Schuld für die aus dem Ruder gelaufene Situation zu geben. Die politische Polarisierung hat vor allem in den USA stark zugenommen und manifestiert sich in den letzten Jahren auch immer deutlicher bei den Normalbürgern. ... Menschen mit verschiedenen politischen Auffassungen meiden einander immer mehr und ziehen sich in sichere Häfen von Gleichgesinnten zurück. Die Aversion gegenüber dem jeweils anderen Lager nimmt zu, nicht nur online und in den Nachrichten, sondern auch im täglichen Leben.“