Kann Macrons Rede die Gelbwesten besänftigen?

Nach zehn Tagen des Schweigens zu den teilweise gewaltsamen Gelbwesten-Protesten hat Frankreichs Präsident Macron in einer Fernsehansprache weitere Zugeständnisse gemacht. So soll etwa der monatliche Mindestlohn um 100 Euro steigen, die Bürger sollen mehr Mitspracherechte erhalten. Journalisten werten Macrons Auftritt als richtiges Zeichen, das jedoch möglicherweise nicht ausreicht.

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Rzeczpospolita (PL) /

Jupiter auf dem Boden der Tatsachen

Deutlich hat Macron seine Reue gezeigt, resümiert Rzeczpospolita:

„Der Auftritt des Präsidenten sollte auch einen Stilwechsel signalisieren. Macron hat sich zwar nicht entschuldigt, aber er hat zumindest zugegeben, dass viele seiner Worte die Landsleute verletzt haben könnten und dass er den Franzosen, denen es schlecht geht, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Das soll sich jetzt durch Treffen mit den französischen Bürgermeistern ändern. Jupiter, wie die Franzosen Macron bislang wegen seines arroganten Regierungsstils genannt haben, ist jetzt definitiv wieder auf die Erde zurückgekehrt. Aber ob das reicht, um seine Präsidentschaft zu retten, ist gar nicht so sicher.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Läuterung scheint möglich

Frankreichs Präsident entdeckt die Franzosen, spottet die Neue Zürcher Zeitung:

„Macrons Rede wirkt nüchtern, technokratisch, ungekünstelt; das entspricht seinem Temperament. Doch er sagt Erstaunliches: 'Die guten Lösungen werden aus dem Land hervorgehen' - zu zentralisiert sei Frankreich seit Jahrhunderten [sic]. So spricht der Präsident, der bisher seine Reformen stets von oben nach unten durchsetzen wollte, der weitgehend beratungsresistent erschien, der gerne den Eindruck erweckte, er allein wisse auf seinem Olymp, was gut sei für das Land. Soll man an eine innere Wandlung Macrons glauben? Es ist nicht auszuschließen, dass die Ereignisse und Erschütterungen der letzten Wochen ihn zu neuen Einsichten geführt haben. Es wird sich zeigen.“

Le Figaro (FR) /

Frankreichs Demokratie steht auf dem Spiel

Le Figaro hofft, dass die Proteste nun verstummen:

„Wird der von Emmanuel Macron in Aussicht gestellte 'neue Vertrag für die Nation' nach dem Zurückrudern bei der Erhöhung der Spritsteuer die Aufständischen davon überzeugen, ihre gelben Westen wieder im Handschuhfach zu verstauen? Ihre Hartnäckigkeit hat bereits mehrfach Vorhersagen durchkreuzt, sodass keine Prognosen mehr gewagt werden. Es bleibt jedoch zu hoffen. Die Vernunft zwingt uns dazu. Das nationale Interesse verlangt es. Es geht nicht mehr um die politische Zukunft Emmanuel Macrons und auch nicht mehr um seine Fähigkeit, seine Reformen durchzuführen (in Anbetracht der derzeitigen Lage ist zu befürchten, dass diese dauerhaft beeinträchtigt ist). Was nun in den Straßen unserer Städte und auf unseren Fernstraßen auf dem Spiel steht, ist unsere demokratische Zukunft.“

La Vanguardia (ES) /

Das Schwierigste kommt erst noch

Große Verantwortung lastet nun auf den Schultern des Präsidenten, schreibt La Vanguardia:

„Macron schlug gestern einen sehr ehrgeizigen Pakt vor: Versöhnliche Maßnahmen und die Eröffnung eines Dialogs mit Vertretern aus allen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gruppen, um die Proteste zu beenden, die bereits den Handel und das Hotelgewerbe gefährden. ... Und nicht nur das: Frankreich verstärkt die Instabilität, die ganz Europa erschüttert, in Zeiten des Brexits, des Endes der Merkel-Ära, der Provokation in Italien und des Aufstiegs rechtsextremer Bewegungen. ... Macrons große Herausforderung ist es nun, mittelfristig der unzufriedenen Mittelschicht Antworten zu geben, also Arbeitsplätze zu schaffen, ohne dabei die Steuerlast der Firmen zu erhöhen oder das Defizit aus dem Auge zu verlieren. Das wartet auf ihn nach dem Sturm.“