Tod im Rio Grande: Amerikas Migrationskrise

Ein Mann und ein Kind liegen leblos im Wasser. Der Vater hatte sein T-Shirt schützend über seine Tochter gezogen, ihr Arm berührt noch seinen Hals. Dieses Foto zweier im Rio Grande ertrunkener Migranten aus El Salvador hat weltweit Menschen erschüttert - und rückt die US-Migrationspolitik unter Präsident Trump auch in den Kommentarspalten erneut in den Fokus.

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Corriere della Sera (IT) /

Mitgefühl von kurzer Dauer

Der Effekt solcher Bilder ist leider von kurzer Dauer, klagt Kolumnist Franco Venturini in Corriere della Sera:

„Wie können wir beim Anblick dieses Vaters und seines kleinen Mädchens kein Grauen empfinden? Ertrunken im Rio Grande, dem Grenzfluss zwischen Mexiko und den USA, mit dem Gesicht nach unten wie der kleine Alan aus Syrien, den die Strömung 2015 an den türkischen Strand von Bodrum spülte. Doch Emotionen, selbst angesichts schrecklichster Tragödien, berühren fast nie die Sphäre der Rationalität, des Denkens und der Initiative, und halten deshalb nicht lange an. ... Dieser Vater und dieses Kind starben nicht nur an der Schwelle zur USA, sie starben auch in Lampedusa, in der Türkei, an der sizilianischen Küste. Es liegt an uns, zwischen kurzlebigen Emotionen und hartnäckigem Wollen zu wählen.“

The Independent (GB) /

Abschreckung funktioniert nicht

Trumps harte Einwanderungspolitik hält die Migranten aus Mittelamerika offenbar nicht ab, konstatiert The Independent:

„Mit seiner rassistischen Rhetorik und seinen Drohungen, Familienmitglieder voneinander zu trennen, hat Donald Trump für alle glasklar gemacht, dass Zuwanderer aus Mittelamerika in seinem Land nicht willkommen geheißen werden, nur weil sie es bis zur Grenze geschafft haben. Man kann seine Wortwahl und seine politischen Maßnahmen verabscheuen, doch man kann ihm nicht vorwerfen, inkonsequent zu sein. Dennoch machen sich weiterhin Hunderttausende auf den Weg. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Migranten, die in den USA Asyl beantragten, um 67 Prozent.“

Krytyka Polityczna (PL) /

Torschlusspanik in Mittelamerika

Dass Trumps Politik die Migrationszahlen sogar ansteigen lässt, glaubt Krytyka Polityczna:

„Es besteht kein Zweifel daran, dass der zunehmende Verkehr an der Grenze zwischen Mexiko und Arizona eine direkte Folge der Einwanderungspolitik von Trump ist. Denn diese gibt Einwanderern ein klares Signal: jetzt oder nie. Bald soll an der Grenze zu Mexiko ja die 'schöne' Mauer stehen. Die Menschen versuchen, Elend und Gewalt zu entkommen, indem sie sich für immer schwierigere Routen entschieden, wie die Sonora-Wüste oder das Wüstengebiet im Südwesten des Staats. ... Noch vor 20 Jahren galten diese Pfade als zu gefährlich, aber Organisationen wie No More Deaths in Arizona bringen dort seit Jahren immer mehr Wasser und Bohnen für eine wachsende Zahl verzweifelter Migranten hin.“

De Volkskrant (NL) /

Republikaner sehen kein Problem

Mit einem Umdenken im Weißen Haus ist nicht zu rechnen, analysiert der US-Korrespondent von De Volkskrant, Michael Persson:

„Es ist fraglich, ob Senat und Präsident [einer vom demokratisch dominierten Repräsentantenhaus angebotenen Nothilfe von 4,5 Milliarden Dollar] zustimmen werden. Denn das Geld ist nur für humanitäre Hilfe bestimmt, nicht für Kontrolle und Abschiebung. Die negative Haltung von Trump und den Republikanern zeigt, dass die Krise an der Grenze nur zum Teil als Problem angesehen wird, das man lösen muss. ... Abschreckung ist ausdrückliches Ziel von Trumps Einwanderungspolitik. Und ob dieses Foto nun von Migranten in Mittelamerika gesehen wird oder nicht: Für Trumps Anhänger ist es auf jeden Fall ein Beweis, dass der Präsident - Mauer oder nicht - tut, was er kann.“