Frankreich: Komapatient Vincent Lambert ist tot

Der Wachkoma-Patient Vincent Lambert ist tot. Nach einem Urteil des obersten Gerichts hatten die Ärzte der Uniklinik in Reims vor gut einer Woche seine künstliche Ernährung eingestellt. Der Streit um die lebenserhaltenden Maßnahmen beschäftigte jahrelang die Gerichte und entzweite nicht nur die Familie des bei einem Motorradunfall Verunglückten, sondern ganz Frankreich.

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Le Monde (FR) /

Lamberts Geschichte hat uns viel gelehrt

Véronique Fournier, Ärztin und Präsidentin des nationalen Zentrums für Palliativmedizin, resümiert in Le Monde:

„Jetzt ist die Zeit gekommen, um zu trauern. Das ist nun erst einmal das wichtigste, mit der gebotenen Zurückhaltung und mit Respekt zu trauern. ... Wenn außerdem noch eine Sache unsere Aufmerksamkeit verdient, dann ist es die Bedeutung dessen, was uns seine Geschichte gelehrt hat über das, was am Lebensende auf dem Spiel steht. ... Die lange medizinische und juristische Saga, die sich vor seinem Tod abgespielt hat, hat viel dazu beigetragen, uns in der Gesetzgebung und der medizinischen Praxis weiter zu bringen. Wir danken ihm dafür. Hoffentlich hat er das nicht zu teuer bezahlt. Und vor allem hoffen wir, dass er uns vergibt für die aberwitzige Öffentlichkeit, zu der wir ihn alle zu seinem großen Unglück kollektiv verdammt haben.“

Newsweek Polska (PL) /

Wir werden nie wissen, was richtig ist

Eine richtige Position zur Sterbehilfe wird es wohl nie geben, konstatiert Newsweek Polska:

„Die problematische Frage, wann und wie man jemandem erlauben darf, zu sterben, wird noch viele Länder umtreiben. Sie wird zu ethischen, rechtlichen, aber auch ökonomischen Widerständen führen (ein immer größerer Anteil des Budgets der Krankenkassen geht an Kranke in ihrem letzten Lebensjahr). Und das Problem wird niemals eindeutig gelöst werden. Deshalb gibt es auch keine endgültige Antwort auf die Frage, wie man sich zu verhalten hat, wenn man in der gleichen Situation landet, wie Vincent Lamberts Frau.“

Le Soir (BE) /

Frankreich braucht eine Revolution

Für Le Soir ist völlig unverständlich, wie in Frankreich elf Jahre lang mit dem Fall Vincent Lambert umgegangen wurde:

„Man kann sich zumindest fragen, warum es in Frankreich keine Hierarchie der Angehörigen gibt, die, wie in Belgien Ehepartner und dann die Kinder, als prioritär definiert sind. Und wie es zu dieser Scheinheiligkeit kommt, die darin besteht, jede tödliche Injektion zu verweigern, aber während langer, nicht enden wollender Tage darauf wartet, dass der tief betäubte Körper endlich stirbt, was mit dem Risiko verbunden ist, dass die Begleitperson im letzten Moment nicht bei der Person ist, die sie liebt. ... Frankreich hat noch einen langen Weg vor sich, bevor die konservative Zurückhaltung besiegt ist. Das ist einfach unverständlich, denn die öffentliche Meinung ist für die Euthanasie. Wenn es eine 'gestrige Welt' gibt, die einer Revolution bedarf, dann ist es auch diese.“