Kann Europa wieder zusammenwachsen?

Mit dem Brexit tritt im kommenden Jahr erstmals ein Land aus der EU aus. Von vielen wird dies als aktueller Höhepunkt eines jahrelangen Entfremdungsprozesses innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft betrachtet. Die Presse diskutiert, welche Risse den Kontinent heute teilen und wie sie gekittet werden könnten.

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Rzeczpospolita (PL) /

Zerfall in rationale und emotionale Länder

Weil ihre Politik zu wenig vernunftgesteuert ist, geraten immer mehr Länder wirtschaftlich ins Hintertreffen, konstatiert Rzeczpospolita:

„Es gibt viele Anzeichen dafür, dass sich ein spezifischer 'Riss' zwischen rationalen und emotionalen Ländern durch Europa zieht. Letztere zeichnen sich durch niedrige Investitionsniveaus und hohe Verbrauchererwartungen aus, für die sie mit zunehmender Abhängigkeit von den internationalen Finanzmärkten zahlen, welche wiederum durch rationale Länder geprägt sind. Die Gruppe emotionaler und abhängiger Länder wächst schnell: Im Jahr 2011 bestand sie nur aus Griechenland, 2017 zählten bereits sechs Länder dazu: Irland, Griechenland, Portugal, Italien, Spanien und die Slowakei. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass Polen dieser Gruppe bald beitreten wird.“

Die Presse (AT) /

Europa, glaube an Dich selbst!

Um den Weg für mehr Einigkeit und mehr Europa-Begeisterung zu ebnen, muss die EU mehr Selbstvertrauen an den Tag legen, fordert die frühere spanische Außenministerin Ana de Palacio in Die Presse:

„Die Aufforderung an die Europäer, 'an sich selbst zu glauben', mag naiv klingen. Aber genau das ist eine Voraussetzung für effektives Handeln. Das bedeutet nicht, dass man eine große föderalistische Plattform anstreben oder unrealistische Versprechungen machen soll, etwa was europäische Streitkräfte betrifft. Im Gegenteil, das Letzte, was die EU braucht, sind noch aggressivere Rhetorik oder unrealistische Projekte. Die Nichteinhaltung solcher Versprechen in der Vergangenheit hat zu dem Gefühl der Hilflosigkeit und des Zynismus beigetragen. Stattdessen muss die EU konkrete, schrittweise Fortschritte machen, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Hier gibt es Grund zur Hoffnung.“