USA: Trump und die Lage der Nation

In seiner Rede zur Lage der Nation hat US-Präsident Trump sich selbst gefeiert. Gründe fand er genug: Zum Auftakt der Vorwahlen zu den US-Präsidentschaftswahlen haben sich die Demokraten ein Auszählungsdebakel geleistet; außerdem wurde er am Mittwoch im Impeachment-Verfahren freigesprochen. Was können die Demokraten jetzt noch tun, außer sein Rede-Manuskript zu zerreißen?

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De Morgen (BE) /

Demokraten müssen ihre Hände schmutzig machen

De Morgen beschäftigt vor allem der Eklat am Ende der State-of-the-Union-Rede:

„In den USA kann man Wahlen nur gewinnen, wenn man nackte Zahlen in ein Bauchgefühl überträgt. Das Manuskript von Trumps Rede im TV zu zerreißen, ist in dieser Hinsicht ein sensationeller Versuch, aber wenn Pelosi und die Ihren wirklich diesen Präsidenten besiegen wollen, werden sie ihre weißen Kleider dreckig machen müssen. Nur wer zwischen dem Schmieröl der Fabrikruinen im 'Rust Belt' die Herzen und Stimmen der Arbeiter erobert, kann einen Anspruch auf das Weiße Haus erheben. Um die Polarisierung zwischen den keifenden Alten zu überbrücken, wird ein Wahlkampf nicht ausreichen. Dazu braucht man einen Generationswechsel.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Trumps Rivalen sollten wie Erwachsene auftreten

Die Süddeutsche Zeitung warnt die Demokraten vor dem Versuch, Trump mit dessen eigenen Waffen zu schlagen:

„Wer versucht, theatralischer, bombastischer oder emotionaler als Trump zu sein, verliert. Protz und Lügen sind Trumps Metier, ihm auf sein Niveau hinabzufolgen, ist eine Falle. Es gibt nur eine Möglichkeit, Trump loszuwerden: ihn bei der Wahl im November zu besiegen. Und das schaffen die Demokraten nur, wenn sie sich verhalten wie Erwachsene und über Dinge reden, die für die Wähler wichtig sind. Ein Tipp: Die Ukraine gehört nicht dazu.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Die Reality-Show des Präsidenten

Gazeta Wyborcza kommentiert höhnisch die Dramaturgie der Rede:

„Nichts übertrifft die Szene, in der Amy Williams, die Frau von Sergeant Townsend Williams, der sieben Monate in Afghanistan gedient hatte, und ihre beiden Kinder im US-Kongress plötzlich von Trump erfahren, dass ihr Mann und Vater in die USA zurückgekehrt ist und sich in der Halle befindet. Wie kann man nach der zärtlichen Begrüßung dieser Familie nicht zufrieden sein mit Trumps Bemühungen, amerikanische Truppen aus verschiedenen Konfliktgebieten auf der ganzen Welt abzuziehen? Zu diesem Zeitpunkt wandelte sich die Rede zur Lage der Nation in eine reine Reality-Show.“

Právo (CZ) /

Präsident hat ein wichtiges Ass im Ärmel

Právo fragt sich, ob Trump nach der gescheiterten Amtsenthebung und dem Iowa-Debakel der Demokraten überhaupt noch irgendwie angreifbar ist:

„Derzeit befinden sich die Demokraten am kürzeren Ende des Hebels. Trump hat nämlich ein weiteres Ass im Ärmel: die Wirtschaftslage. In seiner Rede zur Lage der Nation hat er deutlich gemacht, dass er gewillt ist, weiter auf der Welle des wirtschaftlichen Wachstums zu surfen und es als seinen eigenen Erfolg auszugeben. Ungeachtet dessen, dass dieses Wachstum, das sich bis heute auf einem Rekordhoch befindet, schon nach der Finanzkrise vor zehn Jahren begonnen hat.“