Corona bringt Europa einen Geburtenknick: Was tun?

Im Kontext der Corona-Krise ist die Geburtenrate in vielen europäischen Ländern sowie unter anderem den USA und China stark eingebrochen. In Spanien beispielsweise wurden im Januar 22,6 Prozent weniger Geburten im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet, in Frankreich 13 Prozent. Kommentatoren überlegen, was Abhilfe schaffen könnte und verweisen besorgt auf die gegenteilige Entwicklung in ärmeren Ländern.

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El País (ES) /

Arbeit, Bildung, Wohnung - überall Baustellen

El País fordert die Politik zum Handeln auf:

„Wieder einmal wird deutlich, dass politische Maßnahmen, um die Situation der jungen Menschen zu verbessern, dringend notwendig sind. Das gilt für den Arbeitsmarkt - indem man die prekären Arbeitsbedingungen durch Anhebung des Mindestgehalts verbessert, sobald die schlimmste Phase der Krise vorüber ist -, für das Bildungssystem - von dessen Qualität ein großer Teil des beruflichen Erfolgs abhängt -, und für den Zugang zu Wohnungen. Es geht hier um strategische Herausforderungen von enormer Wichtigkeit. Es wäre ein Fehler, die Angelegenheit zu unterschätzen, nur weil die Auswirkungen nicht sofort spürbar sind.“

Le Figaro (FR) /

Ohne Mentalitätswandel ändert sich gar nichts

Dass vielmehr eine gesellschaftliche Transformation vonnöten ist, glaubt Geograf Laurent Chalard in Le Figaro:

„Erforderlich wäre ein kompletter Mentalitätswandel und eine Veränderung der Funktionsweise unserer Gesellschaften. Das auf Konsum basierende und hyperindividualistische kapitalistische Modell, das in unserer Zeit vorherrscht, führt indirekt zu einer zu geringen Fertilität. Denn Kinder werden nur als ein weiteres Konsumprodukt mit besonders hohen Kosten angesehen. Solange wir kein Wertemodell vorschlagen, in dem die Sicherung der eigenen Nachkommenschaft ein primäres Ziel der Individuen ist, das Vorrang hat vor materialistischen Bedürfnissen, können wir uns alle möglichen und unmöglichen familienpolitischen Maßnahmen ausdenken - sie werden das Problem nicht lösen.“

Le Point (FR) /

Die Kluft zwischen armen und reichen Ländern wächst

In vielen ärmeren Staaten hat die Corona-Krise den gegenteiligen Effekt, dort ist die Geburtenrate gestiegen. Der Zugang zu Verhütungsmitteln ist oft erschwert, sexuelle Gewalt nimmt zu, Frauen heiraten früher. Welche Folgen der demografische Wandel weltweit hat, erläutert Le Point:

„In Europa, dem Kontinent mit der ältesten Bevölkerung der Welt, wird die Zahl der Erwerbstätigen im Verhältnis zur Zahl der Nicht-Erwerbstätigen voraussichtlich schneller sinken als erwartet. Die Finanzierung von Renten und Pensionen wird so zu einem noch komplizierteren Problem. Umgekehrt wird es für arme Länder mit begrenzten Ressourcen und unzureichender Infrastruktur wahrscheinlich schwieriger werden, die Bedürfnisse der jungen und schnell wachsenden Bevölkerung zu erfüllen. Die Kluft zwischen den beiden Ländergruppen wird den Migrationsdruck erhöhen und die sozialen und politischen Spannungen verstärken.“