Harte Worte gegen Putin: Was steckt dahinter?

Joe Biden hat Wladimir Putin Konsequenzen für die Einmischung in die US-Wahl im vergangenen November angedroht, die aus einem Bericht der US-Geheimdienste hervorgeht. Putin werde dafür "bezahlen" sagte Biden in einem Interview mit dem Sender ABC. Auf die Frage, ob er denke, dass der russische Präsident ein "Killer" sei, antwortete Biden: "Yes, I do."

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

US-Präsident will Zerfall des Westens stoppen

Eine Männerfreundschaft hat Biden ganz offensichtlich nicht im Sinn, kommentiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Das ist der Grund, warum Putin höchstpersönlich Maßnahmen billigte, die im Wahlkampf Trump zugutekommen sollen. ... Putin war so an Trumps Wiederwahl interessiert, weil dessen erste Amtszeit aus russischer (und chinesischer) Sicht 'wichtige' Akzente gesetzt hatte: Die amerikanische Politik versank im Chaos, Washingtons Verhältnis zu Verbündeten war zerrüttet. Unter Trump II wäre es so weitergegangen. Biden dagegen will den Zerfall des Westens stoppen. Dazu gehört es, dessen Feinden die Stirn zu bieten.“

Polityka (PL) /

Weg zum Dialog nicht verbauen

Der Ton sollte nicht zu rau werden, kommentiert Polityka:

„Im Januar, kurz nach der Amtseinführung, führte Biden ein Telefongespräch mit Putin, in dem er, wie das Weiße Haus später berichtete, ankündigte, entschlossen auf jegliche unfreundliche Politik gegenüber den USA zu reagieren. ... Gleichzeitig betont Biden, dass er in bestimmten Bereichen weiter mit den Russen zusammenarbeiten möchte. Die beiden Länder haben bereits vereinbart, das Abrüstungsabkommen Start zu verlängern, um die Zahl der Atomwaffen zu reduzieren. Dies ist nicht das einzige Gebiet, auf dem ein Dialog stattfinden muss. Wenn Biden das Abkommen mit dem Iran wiederbeleben will, braucht er die Zusammenarbeit mit Russland. Die Frage ist bloß, ob ihm eine harte Rhetorik bei diplomatischen Verhandlungen helfen wird.“

La Stampa (IT) /

Botschaft für die russische Nomenklatura

Bidens Kampfansage könnte sich letztlich auszahlen, analysiert La Stampa:

„Die Biden-Administration stellt sich ohne Zögern auf die Seite des Protests von Nawalny. Dessen Offensive hat Putin dazu gedrängt, sein Regime innerhalb weniger Wochen von einem autoritären Regime in eine Diktatur zu verwandeln. … Damit droht der Frontalangriff des Weißen Hauses, das Niveau der Repression in Russland zu erhöhen und genau den Protest zu treffen, den Amerika eigentlich unterstützt. Doch paradoxerweise könnte die Repression das Ende eines Regimes näherbringen, das nicht über viele Ressourcen verfügt, weder wirtschaftlich noch politisch. Und das könnte das eigentliche Signal sein, das Biden nach Moskau sendet. Adressaten sind die Mitglieder der Putin-Nomenklatura, die erkennen sollen, dass ihr Führer von einer Lösung zu einem Problem geworden ist.“

Echo Moskwy (RU) /

Die bittere Wahrheit

In Russland diskutiert man vor allem Bidens knappe Antwort auf die Frage, ob er in Putin einen Mörder sehe. Echo Moskwy argumentiert wie folgt:

„Im juristischen Sinne ist Putin natürlich kein Mörder. Er hat niemanden erschossen oder erdolcht. Es gibt keine Beweise, dass er derartige Befehle erteilte oder solche Taten auch nur guthieß. Übrigens, das unterscheidet ihn offensichtlich von Stalin ... Aber Putin ist der Garant des Systems, [in dem gemordet wird]. Die Situation wird von Jahr zu Jahr schlimmer - und auf wen sollen wir denn zeigen, wenn nicht auf die wichtigste Person im Land? Aber darüber vernehmbar zu sprechen, selbst auf indirekte Art und Weise, ist in Russland gefährlich. Biden hingegen haut es in Cowboy-Manier raus, ganz ohne sich um Anstand und Formalitäten zu kümmern.“