Griechenland: Ein vertuschter Femizid und die Folgen

In Griechenland hat ein 36-jähriger Georgier Klage eingereicht, weil er vier Tage lang von der griechischen Polizei gefoltert worden sei, um ihn zu einem Geständnis im Fall Caroline Crouch zu zwingen. Ihr Ehemann, der inzwischen gestand, seine Frau getötet zu haben, hatte die Ermittler zuvor wochenlang mit der Geschichte eines bewaffneten Einbruchs von Ausländern getäuscht. Kommentatoren sind entsetzt über das Ausmaß von Rassismus und Frauenverachtung, das der Fall offenbart.

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Kathimerini (GR) /

Das Märchen vom unschuldigen Griechen

Kathimerini-Kolumnist Pantelis Boukalas kritisiert die Stereotype, denen Gesellschaft und Behörden unterliegen:

„Das 'gebrochene Griechisch', das 'die Mörder und Räuber sprachen', so das Märchen, das der [angeklagte] Pilot Charalambos Anagnostopoulos geschrieben, inszeniert und vor der Kamera gespielt hat, war die 'Erklärung', die die allermeisten von uns hören wollten. Um uns zu beruhigen. Um weiterhin stolz zu schlafen. Für den Piloten war es nicht schwer, zu wissen, welche Szenarien populär sind, was Medien und Strafverfolgungsbehörden bewegt. … Er hat sich sicherlich selbst gratuliert, als er erfuhr, dass die Polizei 300.000 Euro Belohnung ausgesetzt hatte, um Phantome zu finden, die 'gebrochenes Griechisch' sprechen.“

TVXS (GR) /

Beinahe eine Fehlverurteilung nach US-Vorbild

Stelios Kouloglou, EU-Abgeordneter für Syriza und Journalist, schreibt in TVXS:

„Der uneingestandene, schleichende Rassismus der griechischen Gesellschaft in Kombination mit Polizeitaktiken führt nun zu einer Situation, die den berüchtigten 'Fehlverurteilungen' Schwarzer in den USA ähnelt. Das Muster ist dasselbe: Ein brutales Verbrechen provoziert einen Sturm der Entrüstung und politischen Druck, die Täter sofort ausfindig zu machen und zu verhaften. ... Sie wollten schnell einen Schuldigen finden und haben vier Tage lang diesen Mann gefoltert, um ihn dazu zu bringen, einen Mord zu gestehen, den er nicht begangen hatte - während der wahre Täter vor ihnen stand und von Anfang an etwas an seinen Aussagen und seinem Verhalten nicht zu stimmen schien.“

Avgi (GR) /

Das Problem ist das Patriarchat

Die linke Avgi fordert eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung:

„Dieser abscheuliche Mord ist eine weitere - diesmal mörderische - Episode in der langen Reihe häuslicher Gewalt. Einer Gewalt, die viele Formen annimmt - indirekt und direkt, verbal und physisch - und immer noch bleibt, auch wenn wir hoffen, dass die griechische Gesellschaft sich modernisiert hat. Tatsächlich sind die Geschlechternormen und das Patriarchat, die Gewalt verursachen, unserem sozialen System inhärent. Dieses System muss sich ändern. ... Bestrafung reicht nicht aus, um häusliche Gewalt zu bewältigen.“

20/20 (GR) /

Völlig falscher Tonfall

Das Onlinemagazin 20/20 ärgert sich, dass Femizide nicht beim Namen genannt werden:

„Warum wird in Griechenland die Beschreibung einer Straftat, die durch das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen mit einem Begriff definiert ist, noch diskutiert? ... Alle Vorfälle sexueller Gewalt werden in den Medien mit Begriffen wie 'unglückliches Mädchen', 'unglückliche Familie', 'unglückliche Frau', 'Familientragödie' oder 'Leidenschaftskriminalität' belegt und mit Formulierungen wie 'er hat sie umgebracht, weil...', 'Er war ein braver Junge', 'Sie drohte ihm mit Trennung' ergänzt. Diese Art und Weise weist darauf hin, dass die Morde an Frauen weder im öffentlichen Diskurs, noch in den griechischen Nachrichten die ihnen zustehende Sichtbarkeit haben.“