Chinesischer Baukonzern in Nöten - ein neues 2008?

Die Krise des zweitgrößten chinesischen Immobilienkonzerns spitzt sich zu. Die Aktien von Evergrande haben seit Jahresbeginn rund 80 Prozent an Wert verloren. Anleger befürchten, dass eine Insolvenz des Unternehmens weltweit ähnlich drastische Auswirkungen hätte wie die Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008. Europas Presse ist sich allerdings einig, dass dieser Vergleich hinkt.

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tagesschau.de (DE) /

Das letzte Wort hat Peking

Gut möglich, dass uns die Lösung der Evergrande-Schuldenkrise noch überraschen wird, meint tagesschau.de:

„Die Volksrepublik ist weder eine freie Marktwirtschaft, noch ein Rechtsstaat. Die kommunistische Staatsführung hat immer das letzte Wort bei wichtigen Wirtschaftsentscheidungen. Gut möglich also, dass sie in der Evergrande-Krise eine Lösung aus dem Hut zaubern wird, die rein betriebswirtschaftlich keinen Sinn ergibt und bei der für Außenstehende auch nicht wirklich nachvollziehbar ist, wie sie genau funktioniert. ... Letztlich dürfte Chinas Staats- und Parteiführung die Evergrande-Krise nutzen, um der Bevölkerung zu vermitteln, dass der Privatwirtschaft nicht zu trauen ist - und für Verlässlichkeit in China nur der Staat und die Kommunistische Partei sorgen.“

La Stampa (IT) /

Internationale Fonds werden die Verlierer sein

China wird Evergrande unter die Arme greifen, ist sich auch La Stampa sicher:

„Es ist bereits von einer Absprache die Rede, die es anderen Immobilienkonzernen ermöglicht, die Bauprojekte von Evergrande fertigzustellen, während die Regierung dessen Schulden abschreibt und so die lokalen Banken rettet. Die Verlierer in diesem Schlamassel made in China werden die großen internationalen Fonds sein, die sich von ihren Investitionen in die große chinesische Blase verabschieden müssen. ... Es gibt aber keinen Grund, sie zu bemitleiden, denn wieder einmal haben sie den Grundsatz des 'caveat emptor' vergessen, bevor sie sich in hochrentable, aber sehr riskante Wertpapiere stürzten.“

La Vanguardia (ES) /

Die Legitimität des Regimes steht auf dem Spiel

Welches Risiko für Peking mit dem Thema verbunden ist, analysiert La Vanguardia:

„Das Regime unter Xi Jinping kann es sich nicht leisten, die gesellschaftliche Stabilität aufs Spiel zu setzen. Man darf nicht vergessen, dass sich der chinesische Autoritarismus der Bevölkerung gegenüber dadurch legitimiert, dass er Wachstum in der Wirtschaft und Stabilität in der Gesellschaft garantiert und eine Krise dieses Ausmaßes schwere Konsequenzen für Peking haben könnte. Jahrelang investierten die Chinesen in den Immobilienmarkt in der Sicherheit, dass die Preise niemals sinken würden. Sollten die so angelegten Ersparnisse schrumpfen, wäre die gesellschaftliche Unzufriedenheit sehr groß und könnte ungeahnte Folgen haben.“