Wie steht es um die Pressefreiheit in Europa?

Zum Welttag der Pressefreiheit am 3. Mai hat die NGO Reporter ohne Grenzen gestern zum 20. Mal ihre jährliche globale Rangliste veröffentlicht. Bei dem Ranking werden Faktoren wie Mediengesetzgebung, Gewalt an Medienschaffenden und Monopolisierung berücksichtigt. Die europäischen Blätter nehmen das zum Anlass, um in den Spiegel zu schauen.

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dieSubstanz.at (AT) /

Inserate nach Gutsherrenart

Österreich ist in der Rangliste der Pressefreiheit vom 17. auf den 31. Platz gerutscht. Der Blog dieSubstanz.at analysiert die Ursachen:

„Die Gründe sind vielschichtig, sie reichen von Angriffen auf Journalist:innen bei Corona-Demos, Schikanen seitens der Polizei bis hin zu Inseratenkorruption. ... Das Ausmaß öffentlicher Inserate ist im internationalen Vergleich so ziemlich einzigartig. Reporter ohne Grenzen ortet 'fehlendes Interesse seitens der Politik, sich für eine höhere Basisförderung für Medien und weniger Geld für Inserate öffentlicher Stellen (gegen gefällige Berichterstattung) einzusetzen'. Der Ruf nach einem sinnvollen Medienförderungsgesetz, bei dem Qualität statt Boulevard (Auflage) gefördert wird, sei bisher ungehört geblieben.“

Yetkin Report (TR) /

Türkei hat zu 100 Prozent verloren

Yetkin Report ist bestürzt:

„Die 90 Prozent Regierungskontrolle, auf die der RSF-Bericht hinweist, sind ein Punkt, der spezieller Betonung bedarf. Das bedeutet, dass nur einer von 10 Nachrichtenkanälen, von Zeitungen bis hin zu Radios, keine Verbindung zur Regierung hat. Das Überleben dieser verbleibenden Medien schafft nicht immer ein ideales Umfeld für die Produktion und Verbreitung von unabhängigen und qualitätsreichen News. Manchmal fällt eine Zeitung, die zurückgelassen wurde, unter die Kontrolle von Gegenpropaganda, oppositioneller Politik und Interessengruppen.“

Avgi (GR) /

Dramatische Verschlechterung

Die linke Avgi schreibt über die Lage in Griechenland:

„Gelang es der Regierung Mitsotakis im Jahr 2021, Griechenland in der Liste nur um 5 Plätze zu verschlechtern (von Platz 65 auf Platz 70), so fiel es im Jahr 2022 'überraschend' um 38 Plätze und liegt nun auf Platz 108 am absoluten Ende der EU, aber auch hinter vielen Ländern von Asien, Amerika und Afrika. Mit anderen Worten: Griechenland liegt in Sachen Pressefreiheit auf Platz 108 von 180 Ländern weltweit, die in der Studie von RSF berücksichtigt wurden. Das bedeutet, dass Griechenland in Fragen der Pressefreiheit schlechter abschneidet als die Ukraine, Albanien, Angola, Tunesien, Georgien, Israel, Ungarn, Polen, Serbien, Kosovo.“

Deutsche Welle (RO) /

Journalisten verlieren Antikörper

Die Journalistin Sabina Fati reflektiert im Rumänischen Dienst der Deutschen Welle über Gefahren der Selbstzensur:

„Die großen [rumänischen] Medienbosse sind mit Politik und Wirtschaft verquickt – die Mehrheit von ihnen war in Korruptionsfälle verwickelt oder sogar im Gefängnis, während andere gerade vor Gericht versuchen, heil davonzukommen. Die Journalisten der Medientrusts dieser kompromittierten Bosse haben Selbstzensur gelernt, es ist ihre zweite Natur geworden. ... Wenn man sich irgendwo einstellen lässt, kennt man die Empfindlichkeiten, Interessen und die Ausrichtung seines Arbeitgebers und respektiert sie. Das Phänomen der Selbstzensur ist weitaus gefährlicher als die Zensur selbst, da der Journalist Gefahr läuft, seine Antikörper zu verlieren.“