Polen diskutiert Vier-Tage-Woche

Der Chef der oppositionellen Bürgerplattform, Donald Tusk, will, dass die Polen weniger arbeiten: Am Samstag kündigte er in Stettin an, seine Partei werde vor der Parlamentswahl im kommenden Jahr ein detailliertes Pilotprogramm für die Vier-Tage-Woche ausarbeiten. Die Landespresse debattiert den Vorstoß mit Verve.

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Rzeczpospolita (PL) /

Ausweg aus dem Generationenkonflikt

Rzeczpospolita sieht den Vorstoß als Angebot an die junge Generation:

„Millenials in aller Welt haben eine andere Einstellung zur Arbeit. Die Arbeit soll für finanzielle Unabhängigkeit sorgen und nicht zum Inhalt des gesamten Lebens werden. Dieser Generationenkonflikt ist heute auch in der Wirtschaft zu beobachten: Management-Experten weisen darauf hin, dass Management-Lehrbücher von der Boomer-Generation geschrieben wurden, während die Millenials ganz andere Erwartungen an Arbeit und Karriere haben. Zeit für Leidenschaften, für Freunde, um das Leben zu genießen, ist für sie sehr wichtig. Und Tusks Vorschlag ist ein Ausweg aus dieser Boomer-Mentalität, und zwar genau in das Terrain der jüngeren Generation.“

Wprost (PL) /

In manchen Branchen problematisch

Wprost wägt ab:

„Zu den Vorteilen einer Vier-Tage-Woche zählen vor allem eine höhere Arbeitsmoral und ein besseres Wohlbefinden der Mitarbeiter, ein geringeres Burnout-Risiko, eine höhere Produktivität und weniger Fehlzeiten sowie eine leichtere Mitarbeitergewinnung. ... Andererseits gibt es Branchen wie das Gesundheitswesen, die Rettungsdienste oder das Transportwesen, in denen rund um die Uhr gearbeitet wird und eine Änderung der Arbeitsorganisation - gelinde gesagt - problematisch wäre. Eine Verkürzung der Arbeitszeit würde dort die Einstellung von zusätzlichem Personal erfordern oder die Einführung von mehr Überstunden, was wiederum die Kosten erhöhen würde.“

Polityka (PL) /

Bei der Arbeitsbelastung Spitzenreiter

Für Polityka ist Polen wirtschaftlich noch nicht für die Vier-Tage-Woche bereit:

„Offensichtlich hängt die Einstellung zur Arbeit vom Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung ab, und auch die Struktur des Arbeitsmarktes ist davon abhängig. Aus diesem Blickwinkel sollte die Frage der Arbeitszeit in Polen betrachtet werden. Ein Land, das in Bezug auf die Arbeitsbelastung zu den Spitzenreitern der OECD-Länder gehört, wobei nur die Kroaten, Rumänen, Griechen, Russen, Malteser, Koreaner, Chilenen, Kolumbianer, Costa Ricaner und Mexikaner fleißiger sind als wir. Beim Thema Arbeitszeit gibt es hingegen keine Länder, die so experimentieren wie die Isländer oder die Briten. Können wir daraus eine Lehre für Polen ziehen?“