Nach dem Aufstand: Wie weiter mit Wagner?

Als Kämpfer der Söldnerarmee Wagner am Wochenende in Richtung Moskau marschierten, sprach Wladimir Putin von Verrat und drohte mit harten Strafen. Wenig später die Kehrtwende: Der Marsch wurde abgebrochen und Putin garantierte Prigoschin und seinen Soldaten Straffreiheit. Kommentatoren erörtern, was das Hin und Her für die Zukunft von Wagner und der russischen Armee bedeutet.

Alle Zitate öffnen/schließen
Daily Sabah (TR) /

Eine Lektion nicht nur für Russland

Die Zeit solcher Militärfirmen könnte vorbei sein, prognostiziert Daily Sabah:

„Die Wagner-Revolte hat die potenzielle Gefahr der privaten Militärfirmen (PMCs) für ihre Heimat- und Gastländer offenbart. Mit anderen Worten: Nachdem diese enorme Macht erlangt haben, können sie unabhängig handeln. Wahrscheinlich werden die meisten Länder ihre Sichtweise auf PMCs revidieren, die von Staaten als Akteure der hybriden Kriegsführung eingesetzt wurden, um sich vor der Verantwortung zu drücken.“

Tygodnik Powszechny (PL) /

Prigoschin kann kaum ungeschoren davonkommen

Tygodnik Powszechny fragt sich, was Putins Sicherheitsgarantien wert sind:

„Die Meuterei hat auch gezeigt, wie in Putins Staat mit dem Recht umgegangen wird. Nach einer Einigung mit dem Aufständischen gab der Kreml bekannt, dass das Strafverfahren wegen Anstiftung zur bewaffneten Rebellion eingestellt wurde. Wird in einem Land, in dem Menschen, die auf Facebook über die Verbrechen in Butscha schrieben, zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, ein Putschversuch wirklich ungestraft bleiben? Bislang hat Putin Illoyalität nicht verziehen; diejenigen, die er für Verräter hielt, hat er gemäß seines Kodex bestraft - auch im Ausland, mit Polonium und Nowitschok. Und hier eine solche Milde? ... Mal sehen, ob sich die Sicherheitsgarantien nicht schnell als hinfällig erweisen.“

De Standaard (BE) /

Von Moskaus Hilfe abhängig

Der fehlgeschlagene Aufstand ist eine existenzielle Gefahr für die Privatarmee, analysiert De Standaard:

„So wie die Karten jetzt liegen, hat Prigoschin sein Blatt überreizt. ... Natürlich hat Wagner noch andere Einkommensquellen, aber ohne finanzielle, logistische und militärische Unterstützung von Moskau wird es deutlich schwieriger werden. ... Die Wagner-Soldaten sind abgehärtete und gut organisierte Kämpfer. Wenn sie nicht mehr in der Ukraine kämpfen wollen, dann kommt das der ukrainischen Armee sehr gelegen. ... Prigoschins Aufstand dauerte nicht lang genug, um das Blatt in diesem Krieg entscheidend zu wenden. Aber er war sicher ein moralischer Boost für die ukrainischen Soldaten.“

Alexej Roschtschin (RU) /

Von wegen Privatarmee

Putin hat bestätigt, dass die Wagner-Löhne 2022 mit 86 Milliarden Rubel (ca. 1 Mrd. Euro) vom Staat mitfinanziert wurden. Laut Prigoschin zahlte Wagner immer bar. Soziologe Alexej Roschtschin fasst sich auf Facebook verbal an den Kopf:

„86 Milliarden - und alles in Säcken, in Fünftausender-Scheinen, aus dem Staatshaushalt! Heilige Scheiße. ... Die Idee von Barzahlungen ist für jeden verständlich - das macht man, um die Tatsache einer Finanzierung zu verschleiern und generell, um Spuren zu verwischen, meist vor den Steuerbehörden. ... Aber wenn der Staat es selbst tut... Vor wem hat sich Putin wohl versteckt, als er die heimliche Finanzierung der Prigoschin-Banditen aus einem Sack voll Cash anordnete und ihnen sogar erlaubte, als 'privat' zu firmieren? Willkommen in Absurdistan.“