Wolhynien: Polen und Ukraine gedenken gemeinsam

Am 11. Juli gedenkt Polen der Opfer des Massakers von Wolhynien. Zwischen 1943 und 1945 ermordeten ukrainische Nationalisten Zehntausende polnische Zivilisten in der von der Deutschen Wehrmacht besetzten heutigen Westukraine. Nach erstmals versöhnlicheren Tönen im vergangenen Jahr nahmen der ukrainische Präsident Selenskyj und Polens Staatschef Duda in diesem Jahr, zum 80. Jahrestag, an einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung in Luzk teil.

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Rzeczpospolita (PL) /

Erinnerungen an ein riesiges Butscha

Einen Schritt nach vorne auf einem noch sehr langen Weg sieht Rzeczpospolita:

„In den vergangenen 80 Jahren hat sich fast alles verändert, das beste Beispiel ist die Öffnung polnischer Häuser für ukrainische Flüchtlinge. ... Der Gedenkgottesdienst in Luzk ist ein gutes Zeichen. Aber es ist noch ein langer Weg zu gehen. Die Worte, die gesprochen wurden, sind sehr vorsichtig. ... Das Wort 'Völkermord' wird in dem heutigen Krieg für Kriegsverbrechen verwendet, die von den russischen Invasoren begangen wurden - wie die Ermordung von mehreren hundert Einwohnern der Stadt Butscha in der Nähe von Kyjiw im März vergangenen Jahres. Wolhynien war ein riesiges Butscha.“

Tygodnik Powszechny (PL) /

Aufarbeitung stärkt moralische Legitimität

Ein schonungsloser Blick auf die dunklen Kapitel der eigenen Geschichte würde die Ukraine stärken, glaubt Tygodnik Powszechny:

„Die Gegenüberstellung von russischen Mördern und ukrainischen Nationalisten von vor 80 Jahren ist für die ukrainische Gesellschaft sicherlich schwierig. Aber gerade die Aufarbeitung des Völkermords von Wolhynien und Galizien würde der Forderung nach Anerkennung des russischen Völkermords am ukrainischen Volk durch die internationale Gemeinschaft eine stärkere moralische Legitimität verleihen.“

Ukrajinske radio (UA) /

Fehler anerkennen und nach vorne schauen

Ein Herunterschrauben der Erwartungen kann helfen, meint Historiker Andrii Rukkas in Ukrajinske Radio:

„Wir müssen begreifen, dass es in Polen kein Denkmal für [den ermordeten ukrainischen Nationalisten Stepan] Bandera geben wird. Genauso wie die Polen erkennen müssen, dass es in der Ukraine keine Denkmäler für polnische Chauvinisten geben wird. ... Wenn wir das Andenken an die Opfer bewahren und uns daran erinnern, dass auch wir einen Fehltritt gemacht haben, genau wie sie, und wenn wir uns bewusst sind, dass dieser Fehltritt von unseren westlichen und östlichen Nachbarn - Nazideutschland und der Sowjetunion - ausgenutzt wurde, dann werden wir gemeinsam davon profitieren.“