Wo steht Frankreich am Quatorze Juillet?

Frankreich begeht am heutigen 14. Juli seinen Nationalfeiertag. Der Eindruck der Proteste und Ausschreitungen nach der Erschießung eines 17-Jährigen ist noch frisch, Präsident Macron verzichtet auf ein angekündigtes TV-Interview und empfängt Indiens Premierminister Narendra Modi. Für Kommentatoren gibt es eher wenig zu feiern.

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Le Figaro (FR) /

Macron schweigt und geht rückwärts

Le Figaro kritisiert, dass der Präsident sich nicht an die Öffentlichkeit wendet:

„Das ist ein beunruhigendes Zeichen für ein Land, das unfähig ist, sein Fest würdig zu feiern, für eine Nation, die gezwungen ist, vor ihrer eigenen Geschichte zu fliehen. … Bei solch einem zentralen Ereignis - zweifelsohne dem beunruhigendsten des Jahres - kann man sich über einen schweigenden Präsidenten nur wundern. Vor allem, da er sich sonst redselig zeigt. Und noch besorgniserregender ist, dass die Worte, die trotz allem die Ruhe durchbrechen, nichts Gutes verheißen. … 'Der Mensch ist derjenige, der im Nebel voranschreitet', schrieb Kundera; das Problem ist, dass Emmanuel Macron im Nebel der Zeit rückwärts geht.“

Corriere del Ticino (CH) /

Randalierer ohne politische Ziele

Für Corriere del Ticino ist das Schlimmste überstanden:

„Die Welle der Gewalt in Frankreich ist abgeebbt, auch dank der 45.000 Polizisten, die Präsident Emmanuel Macron auch nach dem Höhepunkt der Unruhen weiter im Einsatz hielt. Man musste diesen 14. Juli, den Nationalfeiertag, abwarten, um die Gefahr für gebannt zu erklären. ... Heute hat der Aufstand nicht mehr die kritische Masse, um sich in etwas Schlimmeres zu verwandeln. Man kann sagen, dass es ein gewaltiger Ausbruch von Gewalt um ihrer selbst willen war. Im Gegensatz zu den Bürgern, die zwischen Januar und März dieses Jahres gegen die Rentenreform auf die Straße gingen, brachten die Randalierer keine politischen Forderungen ein. Sie wollten einfach nur zerstören, plündern und in Brand stecken.“

Libération (FR) /

Modi-Empfang zeugt von Verachtung und Zynismus

Die Schriftstellerin Shumona Sinha empört sich in einem in Libération veröffentlichten Brief, dass Macron gerade an diesem Datum Indiens Premier begrüßt:

„Seit Jahren machen wir Journalisten, Wissenschaftler, Politologen, Schriftsteller und französische, indische sowie französisch-indische Intellektuelle auf die politischen Verbrechen von Narendra Modi und seiner Partei, seiner Miliz und seinen Anhängern aufmerksam. Doch Sie machen sich über unsere Warnungen lustig. ... Man fragt sich, ob Sie die Demokratie wirklich verstehen und respektieren. Eine solche Verachtung, ein solcher Zynismus, eine solche Verleugnung und eine solche Grausamkeit passen nur zu autokratischen Herrschern. … Der 14. Juli ist ein wichtiges Symbol - es ist unwürdig, ihn zu beschmutzen.“