Kremlgegner Nawalny zu 19 Jahren Haft verurteilt

Ein russisches Gericht hat am Freitag gegen den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny eine weitere Haftstrafe verhängt. Wegen angeblichen Extremismus ist der bereits seit zwei Jahren inhaftierte 47-Jährige damit zu insgesamt 19 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Kommentatoren beleuchten Hintergründe und Ziele des Urteils.

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La Stampa (IT) /

Opposition ist nicht mehr möglich

Für kritische Geister wird es in Russland immer schwieriger, klagt Russland-Expertin Anna Zafesova in La Stampa:

„Die Nawalny-Affäre zeigt, wie sehr sich Russland in den drei Jahren seit seiner Vergiftung auf Befehl des Kremls verändert hat. Bei seiner Verhaftung bei der Rückkehr in die Heimat am 17. Januar 2021 gingen Tausende von Menschen auf die Straße und riskierten, verhaftet zu werden. Sicherlich nicht genug, um eine Protestbewegung entstehen zu lassen, die den Kreml in Angst und Schrecken versetzen konnte, aber Millionen von Menschen brachten ihre Wut über die sozialen Medien zum Ausdruck. Heute ist es in Russland unmöglich, auf die Straße zu gehen. Die Nawalny-Aktivisten sitzen fast alle im Gefängnis oder sind ins Ausland geflohen und allein die Erwähnung Nawalnys in der Öffentlichkeit kann eine Gefängnisstrafe nach sich ziehen.“

Kleine Zeitung (AT) /

Er soll gebrochen werden

Die Kleine Zeitung erklärt, warum Nawalny im Gegensatz etwa zu Wagner-Chef Prigoschin eine lange Haftstrafe verbüßen muss:

„Inzwischen setzt der russische Staat wieder auf langsames Quälen. ... Das Ziel ist klar: Der Putin-Kritiker soll gebrochen werden – und alle anderen, denen kritische Gedanken durch den Kopf schwirren, eingeschüchtert werden. Alle? Nicht ganz. Jewgenij Prigoschin etwa tauchte jüngst wieder auf in der russischen Politik – als hätte es den Aufstand vom 24. Juni nie gegeben. Möglich ist das, weil Prigoschin letztlich zum System gehört und seine Kämpfer Putin nützlich sind. Was nicht möglich ist: dass man, wie Nawalnyj, die Korruption an der Staatsspitze und den Krieg kritisiert.“

Nowaja Gaseta Ewropa (RU) /

Kopfarbeit könnte ihn retten

Putin-Gegner Michail Chodorkowski saß selbst zehn Jahre im Gefängnis und beschreibt auf Nowaja Gaseta Ewropa, wie er damit umging, dass das Regime seine Haftzeit stufenweise heraufsetzte:

„Du weißt nie, wie viel noch bleibt. Das ist sehr hart. ... Das bricht vielen den Willen, was das System auch möchte. Mit der Zeit fand ich, teils bewusst, teils intuitiv, einen Weg, mich in dieser Situation zu halten. Ich habe es immer geliebt zu arbeiten. ... Ich habe einfach für mich beschlossen, dass mein Büro jetzt so aussieht. Ja, mit Pritschen und Gittern und Betonwänden. Aber das beeinträchtigt die Produktivität nicht wirklich. Sicher, die Kommunikation ist erschwert und es gibt keinen Computer. Aber man hat Zeit und die Möglichkeit, sich zu konzentrieren.“

Világgazdaság (HU) /

Von der Außenwelt isoliert

Bisher war Nawalny für Putin selbst im Gefängnis zu gefährlich, vermutet Világgazdaság:

„Neben den 19 Jahren Haft war es wahrscheinlich auch das Ziel des Regimes, Nawalny in ein Hochsicherheitsgefängnis zu sperren, wo er weitaus weniger Besucher empfangen dürfte, was es einfacher machen würde, einen der größten politischen Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin von der Außenwelt zu isolieren.“