EU-Staaten: Einigung bei Kernpunkt der Asylreform

Seit Wochen verhandeln die EU-Staaten über die geplante Reform des Asylsystems, die vor allem Verschärfungen vorsieht. Nun haben sich die Staaten auf eine gemeinsame Position zu Vorschlägen der EU-Kommission für eine Krisenverordnung geeinigt. Diese würde etwa erlauben, bei besonders vielen Ankünften Menschen länger unter haftähnlichen Bedingungen festzuhalten. Europas Presse fokussiert nationale Interessen.

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Corriere della Sera (IT) /

Melonis Sieg

Rom hat sich durchgesetzt, meint Corriere della Sera:

„Die Einigung kam zustande, weil Italien und Deutschland die Spannungen überwunden haben, die am vergangenen Donnerstag auf dem Gipfel der EU-Innenminister aufgetreten waren. … Nach zähen Verhandlungen wurde die italienische Forderung akzeptiert, zum Text vom Juli zurückzukehren, in dem die NGOs nicht im Hauptteil der Verordnung, sondern nur in der Präambel erwähnt wurden. Deutschland und Italien haben unterschiedliche Positionen zur Rolle der NGOs, die Rom als Pull-Faktor sieht. Im Juli war ein empfindliches Gleichgewicht erreicht worden, das Italien unterstützt hatte. Somit habe sich die italienische Position durchgesetzt, betonte Rom und zeigte sich zufrieden.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Besser als gar kein Kompromiss

Für inhaltlich unerträglich, politisch aber unvermeidlich hält die Süddeutsche Zeitung die Einigung zum Asylsystem:

„[D]ie vielen Kritiker haben natürlich recht: Es ist als Festung geplant und ähnelt einer aus Grausamkeiten aufgetürmten Barrikade, die Menschen aufhalten soll, die in Europa Schutz suchen oder auch nur eine Perspektive. In Lager an den EU-Außengrenzen sollen sie künftig lange eingesperrt werden können, wenn sie zu viele sind. Mit einer humanen Flüchtlingspolitik hat das nicht mehr viel tun - und soll es auch nicht zu tun haben ... . Doch noch schlechter wäre ein anderes Signal gewesen: dass sich die europäischen Staaten in Sachen Migration erneut auf gar nichts einigen könnten, nicht einmal auf einen faulen Kompromiss.“

La Repubblica (IT) /

Von Landtagswahlen gedrängt

La Repubblica analysiert, warum die Einigung für Deutschland wichtig ist:

„Für Scholz und seine 'Ampel'-Regierung, die zänkischste in der Geschichte, ist die ersehnte europäische Reform eine Klippe in stürmischer See. Die Migrationsfrage ist, wie in Italien, das meistdiskutierte Thema in Zeitungen, Talkshows und sozialen Medien. Dies gilt umso mehr wenige Tage vor der Abstimmung in zwei wichtigen Bundesländern: im reichen und mächtigen Bayern und in Hessen, dem Land von Frankfurt. Zwei Wahltermine, die die erste Bewährungsprobe für den monströsen Aufstieg der rechtsradikalen AfD in den Umfragen sein werden. In Hessen und Bayern schwankt die fremdenfeindliche, prorussische und antieuropäische Partei in den jüngsten Umfragen zwischen dem zweiten und dritten Platz.“