Landtagswahlen in Deutschland: AfD im Aufwind

Bei den Wahlen in den deutschen Bundesländern Bayern und Hessen am Sonntag hat die AfD in hohem Ausmaß Stimmen gewonnen. Die AfD wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen geführt. Die Bayern machten sie zur drittstärksten Kraft nach der CSU und den Freien Wählern, die Hessen wählten sie auf den zweiten Platz nach der CDU. Kommentatoren fragen sich, was das für die Bundesregierung bedeutet.

Alle Zitate öffnen/schließen
Népszava (HU) /

Besorgniserregende Ratlosigkeit

Die anderen Parteien stehen vor der AfD wie der Ochs vorm Berg, kritisiert Népszava:

„Besonders besorgniserregend ist die völlige Ratlosigkeit unter demokratischen Parteien. Sie wissen nicht, wie sie die AfD eindämmen könnten. ... Obwohl Bundeskanzler Scholz die ruhige Kraft repräsentiert und er es nicht mag, voreilige Entscheidungen zu treffen, ist es sicher, dass es nicht mehr so weitergehen kann wie bisher. Das wissen auch die Parteien der Koalition, aber die ersten Reaktionen weisen darauf hin, dass jeder den Fehler beim anderen sieht und nicht bei sich selbst. Und das ist nicht der beste Weg, um Vertrauen zurückzugewinnen.“

Diena (LV) /

Ein neuer Dämpfer

Diena sieht die Berliner Ampelkoalition in Gefahr:

„Das wichtigste Ergebnis dieser beiden Wahlen ist ein weiterer historischer Tiefstand der vom Bundeskanzler Olaf Scholz vertretenen Sozialdemokraten. In Bayern wurden die Sozialdemokraten nur von 8,4 Prozent und in Hessen von nur 15,1 Prozent der Wähler unterstützt. ... Auch die Unterstützung für die anderen Parteien der Regierungskoalition – die Grünen und die Freien Demokraten – nimmt ab. ... Generell ist die Abkehr der Wähler von den Regierungsparteien und der Rechtsruck zu einem so überzeugenden Trend geworden, dass die Frage, ob die Koalition bis zu den nächsten Wahlen überleben kann, immer relevanter wird. “

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Eine weitere Zeitenwende

Für die Neue Zürcher Zeitung ist die AfD endgültig im Westen angekommen:

„Viel ist in diesen Tagen die Rede von einer Zeitenwende. Womöglich trifft das grosse Wort rückblickend auch auf den 8. Oktober 2023 und die Landtagswahlen in Bayern und Hessen zu. Die Erfolge der AfD dort zeigen, dass eine Legende ausgedient hat, mit der sich weite Teile des politischen Betriebs bis zuletzt beruhigt haben: Die Alternative für Deutschland ist kein reines Phänomen des Ostens. Wer in zwei wichtigen Industrieländern von über anderthalb Millionen Menschen gewählt wird und neue Höchstwerte erringt, der ist auch im Westen gekommen, um zu bleiben.“

The Economist (GB) /

Warnschuss für die Ampel

Ironischerweise könnten die Wahlergebnisse es wahrscheinlicher machen, dass die Regierung Scholz im Sattel bleibt, glaubt The Economist:

„Da seine Juniorpartner, die liberale FDP und die Grünen, bei den Wahlen hart einstecken mussten, haben sie genauso wenig wie Scholz' SPD Interesse daran, die Ampelkoalition aufzukündigen. Auch wenn die wachsende Unterstützung für die AfD viele Deutsche beunruhigt, so dürfte sich das starke Abschneiden der Partei kaum in mehr Macht niederschlagen. Alle anderen Parteien lehnen eine Koalition mit der extremen Rechten nach wie vor ab. ... Scholz und seine Koalition haben die Warnschüsse vernommen. Die Rhetorik der Ampel in Sachen Einwanderung hat sich in letzter Zeit spürbar verhärtet und die Grünen haben ihre umweltpolitischen Ambitionen zurückgeschraubt.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Sehnsucht nach einfachen Lösungen

Die Zuwächse für die AfD zeugen auch von einem Überdruss gegenüber der krisenhaften Realität, meint der Tagesspiegel:

„[G]egen in Aussicht stehende Unerfreulichkeiten, gegen ausufernde Krisen. Immer mehr Wahlberechtigte machen ihr Kreuz bei der AfD, weil sie von der Welt, wie sie ist, die Nase voll haben. Das würde auch erklären helfen, warum von allen Parteien, sogar von den Grünen, Stimmen an die verpönte Konkurrenz gegangen sind. Die neuen und alten AfD-Wähler haben am Sonntag ihre Augen und Ohren verschlossen vor den vielen Hinweisen auf die antidemokratische Agenda der Partei und die unterschiedlich deutlichen rassistischen Töne, die ihre Funktionäre und Anhänger verbreiten. Sie wählten die von der Partei angebotenen einfachen Lösungen, denn die ganzen Probleme sollen weg sein. Am besten schnell. Fertig.“