Ukraine-Krieg – wie weiter nach dem Gefangenenaustausch?

Russland hat die Ukraine am Wochenende massiv mit Hunderten Drohnen und auch Raketen angegriffen, während in der Region Moskau etliche ukrainische Drohnen abgefangen wurden. Gleichzeitig kam es zum größten Gefangenenaustausch beider Länder seit Kriegsbeginn mit jeweils 1000 Menschen. US-Präsident Trump kritisierte sowohl Präsident Putin als “völlig verrückt” als auch Präsident Selenskyj, der “Probleme” verursache.

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Radio Kommersant FM (RU) /

Diese Woche könnte entscheidend werden

Radio Kommersant zählt mögliche weitere Entwicklungen auf:

„Im Großen und Ganzen könnte die beginnende Woche endlich die entscheidende werden. Es gibt mehrere Varianten für die Entwicklung der Ereignisse. Entweder der Verhandlungsprozess wird unterbrochen, Amerika verlässt ihn und das Sanktionsgesetz von [US-Senatoren der Republikaner und Demokraten] Graham-Blumenthal wird zur Abstimmung gebracht. Oder die Beratungen finden doch statt, sagen wir, nicht in Istanbul und nicht im Vatikan, sondern an irgendeinem dritten Ort, den alle akzeptieren. Oder es bleibt alles beim Alten, und in der Türkei wird es ein ausnehmend technisches Treffen zur Ausarbeitung eines Fahrplans geben.“

La Repubblica (IT) /

Berlin prescht vor

La Repubblica analysiert die Aussage des Bundeskanzlers, es gebe keine Reichweitenbeschränkung für Waffenlieferungen an die Ukraine mehr:

„Friedrich Merz ist erst seit Kurzem im Sattel, aber der deutsche Bundeskanzler spielt eindeutig eine führende Rolle bei der Vorhut der europäischen Länder, die die Ukraine trotz der amerikanischen Unbeständigkeit weiterhin unterstützen wollen. … Berlin pulverisiert die bisher geltende Reichweitenbeschränkung von 70 Kilometern. ... Und es eröffnet – noch rein theoretisch – die Möglichkeit, die berühmten Taurus zu liefern, die 500 Kilometer-Raketen, die die Ukraine seit Jahren fordert. Berlin gesteht Wolodomyr Selenskyj zu, was ihm der vorherige Kanzler Olaf Scholz aus Angst vor einer atomaren Eskalation Russlands stets verweigert hatte.“

Sydsvenskan (SE) /

Trump will sein Versprechen halten

Die jüngste Schimpfkanonade des US-Präsidenten gegenüber Putin dürfe man nicht als grundsätzliches Umdenken werten, betont Sydsvenskan:

„Dass er nun eine eher pro-ukrainische Linie befürwortet, ist vermutlich reines Wunschdenken. ... Für Trump scheint der springende Punkt zu sein, dass er versprochen hat, schnell und unkompliziert Frieden zu schaffen – wenn der Krieg dennoch weitergeht, wirft dies ein schlechtes Licht auf ihn. Und Trumps wichtigste Botschaft im Bezug auf den Ukraine-Krieg ist seit Langem, dass er dafür nicht die Verantwortung trägt. ... Die Haltung, wonach der Krieg in der Ukraine die USA eigentlich nichts angeht, nützt allein Putin.“

Seznam Zprávy (CZ) /

In wenigen Tagen könnte wieder alles anders sein

Seznam Zprávy fragt sich, ob der US-Präsident ernsthaft verstimmt über Putin ist:

„Er sagte, Putin sei verrückt geworden, bringe Menschen um und wolle die ganze Ukraine: 'Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Was zum Teufel ist mit ihm passiert?'... Trump denkt durchaus über eine Verschärfung der Sanktionen nach. ... Putins Sprecher Dmitri Peskow reagierte auf die Worte des US-Präsidenten mit der Bemerkung, Trump sei offenbar 'emotional überlastet'. Steht also der Moment bevor, in dem Trump sich beleidigt fühlt und er Putin zurückschlagen will? Halten wir den Atem noch nicht an, denn schon in wenigen Tagen könnte beim amerikanischen Präsidenten alles anders sein.“

La Repubblica (IT) /

Weiterer Friedensprozess voller Unwägbarkeiten

Angesichts des Gefangenenaustauschs schöpft La Repubblica etwas Hoffnung:

„Es ist ein unsicherer Weg, dessen Ausgang von vielen Faktoren abhängt. Und das nicht nur, weil die Europäer gleichsam im Dunkeln tappen. ... Selbst Erdoğan, so scheint es, fehlt eine Vision vom Gesamtbild. ... Trump hätte nicht einmal ihm gegenüber über den Inhalt des letzten Telefongesprächs mit Putin gesprochen, das zum Rückzieher von der Androhung von US-Sanktionen gegen Moskau führte – und Kyjiw sowie den Rest des Westens in eine Krise stürzte. Dennoch ist die [Moskau-]Reise des türkischen Außenministers [Hakan Fidan am Montag] das Ergebnis des erfolgreichen Gefangenenaustauschs. Dieser Schritt lässt für die Zukunft hoffen.“

Aleksey Kopytko (UA) /

Eine niederträchtige Verknüpfung

Zwischen dem Gefangenenaustausch und den massiven Luftangriffen gegen die Ukraine gibt es einen Zusammenhang, meint Militäranalyst Olexij Kopytko auf Facebook:

„Die massiven und aus militärischer Sicht sinnlosen nächtlichen Angriffe in den vergangenen Tagen wurden von den Russen offenbar absichtlich an den Gefangenenaustausch gekoppelt, um die Eskalation auf eine neue Stufe zu heben und die Kritik zugleich zu verwässern. ... Reiner Terrorismus. Die Niedertracht der Russen kennt keine Grenzen.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Die Ukraine braucht Geld

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fordert die rasche Konfiszierung des eingefrorenen russischen Staatsvermögens:

„[D]ie Ukraine [braucht] die Summe dringend. Das Land hat eine starke Rüstungsindustrie, aber es fehlt das Geld, sie auszulasten. Und die Zeit wird knapp, denn zwei fatale Termine rücken näher. Erstens werden in wenigen Wochen die restlichen Milliarden versiegen, die Amerika noch unter Joe Biden zugesagt hat. Zweitens muss die EU die Festsetzung des russischen Geldes im Juni turnusmäßig bestätigen, und zwar einstimmig. Wenn aber Putins Freund Viktor Orbán diesmal dagegenstimmt, weil etwa Trump ihm das zuflüstert, geht das Geld einfach zurück an Russland – eine Summe, knapp viermal so hoch wie der reguläre Jahresetat der Bundeswehr.“