Ukraine zerstört russische Bomber mit Drohnen
Die Ukraine hat am Sonntag in der Geheimoperation "Spinnennetz" in Russland fünf Militärflugplätze von Lastwagen aus mit Drohnen angegriffen und – nach eigenen Angaben – 41 Flugzeuge zerstört. Anhand von Videoaufnahmen wurden bisher zwölf in den Gebieten Murmansk und Irkutsk zerstörte oder beschädigte Langstreckenbomber verifiziert. Medien erörtern die Auswirkungen des Angriffs.
Wer sollte hier dankbarer sein?
Der ukrainische Überraschungsangriff weit im russischen Hinterland war für den Westen eine richtig gute Nachricht, meint Dagens Nyheter:
„Bei dem berüchtigten Treffen zwischen Trump, Vance und Selenskyj im Weißen Haus Anfang des Jahres wurde Selenskyj aufgefordert, für die Unterstützung, die die Ukraine erhalten hat, dankbarer zu sein. Doch es ist vielmehr der Westen, der Kyjiw dankbar sein sollte, dass es eine der größten Bedrohungen für Demokratie und Frieden trotz mangelnder Unterstützung so effektiv bekämpft. Nicht zuletzt sollten Friedensliebende froh sein, wenn russische Bomber im Wert von 67 Milliarden Kronen [ca. 6 Mrd. Euro] in Rauch aufgehen.“
Kein Grund zum Aufatmen
Die Operation ändert nicht am Kräfteverhältnis, gibt die Süddeutsche Zeitung zu bedenken:
„Russland hat nicht nur weitere Langstreckenbomber ... [V]or allem der weitere, auf zusätzliche 125. 000 Soldaten geschätzte militärische Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine und die Angriffe der jetzt schon 640.000 russischen Soldaten in der Ukraine gehen ja weiter. Die Maximalforderungen Russlands bleiben bestehen, und der Ukraine mangelt es weiter an dringend benötigten neuen Soldaten. Die Ukraine hat nach der meisterhaften 'Operation Spinnennetz' zwar Grund zur Befriedigung über die beispiellose Demütigung des Aggressors Russland, doch keinen Anlass aufzuatmen.“
Nun ist jeder Güterverkehr verdächtig
Der ukrainische Drohnenangriff bis weit nach Sibirien hinein zeigt eine neue Art von Kriegsführung mit beträchtlichen Konsequenzen, kommentiert Fakti.bg:
„Mit dieser Technologie werden Entfernungen bedeutungslos. Ob St. Petersburg oder Wladiwostok, wenn man eine Drohne in einem der Millionen von Lastwagen oder Containern versteckt, die auf den Straßen eines modernen, entwickelten Landes verkehren, kann jedes Ziel getroffen werden. Die einzige Art der Vorbeugung besteht darin, den gesamten Inlandsverkehr des Landes einzufrieren oder fast zum Stillstand zu bringen. Das wiederum würde wirtschaftlich und anderweitig noch mehr Schaden anrichten als der Angriff selbst.“
Von wegen Pearl Harbor
Den Angriff mit Pearl Harbor zu vergleichen, ist eine weitere russische Kriegslüge, warnt Politikwissenschaftler Karmo Tüür in Õhtuleht:
„Durch die Lancierung dieser Geschichte soll der Eindruck erweckt werden, Russland sei das unschuldige Opfer und habe nun ein Recht auf Rache. ... Für Außenstehende ist klar, dass dieselben russischen Kampfflugzeuge seit Jahren Tod und Zerstörung in ukrainischen Städten anrichten und dass dies ein reiner Selbstverteidigungsangriff der Ukraine war, der Moskaus Chancen auf eine Fortsetzung derselben Gräueltaten verringern sollte. Die Durchführung des Angriffs tief im Hinterland des Feindes war jedoch so schädlich für Moskaus Selbstwertgefühl, dass das falsche Narrativ von Pearl Harbor eingeführt wurde.“
Endlich hat Kyjiw freie Hand
Die Ukraine könnte nun auch mit westlichen Waffen gegen Russland zurückschlagen, bemerkt De Telegraaf:
„In dem mehr als drei Jahre dauernden Krieg musste die Ukraine lange Zeit auf Drängen westlicher Verbündeter, die eine Eskalation befürchteten, auf Angriffe auf russischem Territorium verzichten. Der spektakuläre Drohnenangriff, der sich gegen legitime militärische Ziele in Russland richtete, fällt vollständig unter das Recht auf Selbstverteidigung. Bei der Ausübung dieses Rechts wurde die Ukraine viel zu lange von ängstlichen Führern im Westen eingeschränkt.“
Russlands Reaktion könnte atomar sein
La Repubblica befürchtet einen nuklearen Gegenschlag:
„Kyjiws Geheimdienst hat die Staffeln strategischer Bomber dezimiert, eines der Schlüsselelemente des Moskauer Atomwaffenarsenals. ... Das [russische] Verteidigungsministerium konnte es nicht leugnen: Dutzende von Videos zeigen große Flugzeuge in Flammen aufgehen. Diese in den sozialen Medien kursierenden Videos sind die tiefste Wunde im Bild des starken Mannes, auf dem Wladimir Putin seine Autorität aufgebaut hat. Jetzt fürchtet jeder seine Reaktion. Nach den Regeln Moskaus reicht der Angriff auf strategische Stützpunkte aus, um einen atomaren Gegenschlag gegen die Ukraine zu autorisieren.“
Selenskyj zeigt Trump seine Karten
Politologe Petro Oleschtschuk erörtert in Facebook die mögliche Reaktion der USA:
„Heute hat sich das nukleare Gleichgewicht zwischen Russland und den USA deutlich zugunsten der USA verschoben – ohne dass die USA selbst etwas dafür getan hätten. Das ist ein Geschenk der Ukraine an Trump – sein erster 'Sieg' während seiner Präsidentschaft. Kein erfundener, sondern ein echter. ... Wir werden dafür keine Dankbarkeit erhalten, sondern erneut das Gerede über 'Eskalation' und 'Enttäuschung'. Doch interessant ist etwas anderes: Bedeutet die SBU-Spezialoperation 'Spinnennetz', dass Präsident Selenskyj nun genug 'Karten' in der Hand hat? Oder braucht Trump noch mehr davon?“
Moskaus Memorandum ist Makulatur
Kyjiw hat seine Verhandlungsposition deutlich gestärkt, so Refat Tschubarow, der Vorsitzende des Medschlis des Krimtatarischen Volkes, auf Facebook:
„Die russische Seite hatte geplant, bei den Verhandlungen in Istanbul mit großem Pathos ihr 'Memorandum' vorzulegen, das in Wirklichkeit ein weiteres Ultimatum an die Ukraine und die Welt darstellt. Und sie wollte anschließend mit der gleichen Überheblichkeit den Verhandlungsort wieder verlassen, mit der Botschaft: Der Ball liegt nun auf der ukrainischen Seite. Doch die Angriffe auf russische Infrastrukturobjekte in den letzten Tagen haben die Situation grundlegend verändert: Das russische 'Memorandum' ist nun bedeutungslos geworden, noch bevor es veröffentlicht wurde.“
Billigdrohnen schlagen militärische Saurier
Der Historiker und Politologe Sergej Medwedew sieht auf Facebook einen tiefgreifenden Wandel im Verständnis von militärischer Macht:
„Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Zukunft den Drohnen gehört. Dies ist asymmetrische Kriegsführung, in der die teuersten Waffen des 20. Jahrhunderts zum Preis von Milliarden von Dollar von vernetzten Waffen des 21. Jahrhunderts, die einige tausend Dollar kosten, besiegt werden. Und ein riesiges Land von neuntausend Kilometern Länge, das stolz auf seine Abgeschiedenheit und strategische Tiefe ist, steht durchlässig und verwundbar da. ... Bezeichnenderweise richtete sich der Schlag nicht einmal gegen Soldaten, sondern gegen einen symbolischen Pfeiler der russischen Macht.“