Israel stoppt Gaza-Solidaritätsschiff mit Thunberg
Das Gaza-Solidaritätsschiff Madleen ist am Montagmorgen vom israelischen Militär gestoppt worden. Das Außenministerium in Tel Aviv bezeichnete das Boot abschätzig als "Selfie-Yacht" und erklärte, die Aktivisten an Bord, unter ihnen Greta Thunberg, seien in Polizeigewahrsam genommen und zum Teil am Dienstag ausgewiesen worden. Europas Presse kritisiert sowohl die Aktion als auch die Reaktion.
Für die Regierung dankbare Ablenkung
Die ganze Aktion hat Netanjahu in die Hände gespielt, glaubt der Spiegel:
„Die israelische Regierung feiert sich ... tagelang für den geglückten Stopp der 'Madleen' und verkündete am Dienstag die Abschiebung der 'Antisemitin' Greta Thunberg und ihrer Mitstreiter. Für sie ist es eine willkommene Gelegenheit, um sich nach der erdrückenden Kritik an der brutalen Kriegsführung in Gaza nun als besonnener Akteur zu inszenieren. ... Sollte Thunbergs Ziel gewesen sein, Israels Regierung damit weiter unter Druck zu setzen, ist ihr das nicht gelungen – im Gegenteil. ... Zumindest kurzfristig nimmt das Druck von der Netanyahu-Regierung. Denn die Aktion ist eine dankbare Ablenkung von den Verbrechen, die Israels Armee mutmaßlich jeden Tag in Gaza begeht.“
Die Macht einer neuen Generation
Über die langfristige Wirkung des Vorfalls spekuliert Svenska Dagbladet:
„So wie Thunberg eine ganze Generation junger Menschen für die globale Erwärmung sensibilisiert hat, so dürfte sie nun auch das Interesse einer noch jüngeren Gruppe an einem Konflikt wecken, der schon seit Jahrzehnten besteht und sich in den letzten Jahren nur noch verschärft hat. Der Spott, den sie ertragen musste, als ihre Klimaproteste immer mehr Aufmerksamkeit erregten, hatte wahrscheinlich den gegenteiligen Effekt. Das könnte auch jetzt der Fall sein – und die Tatsache, dass US-Präsident Donald Trump Greta Thunberg erneut zur Kenntnis nimmt, wird ihre Reichweite nur noch vergrößern. Die jungen Menschen von heute sind die Entscheidungsträger von morgen.“
Sinnlose Bootsfahrt
Svenska Dagbladet ärgert sich über die Aktivisten:
„Für die leidende Zivilbevölkerung in Gaza wird die Bootsfahrt von Greta Thunberg nicht das Geringste zum Besseren verändern. Im Gegenteil: Thunberg und ihre Matrosen untergraben die Glaubwürdigkeit der gesamten Bewegung, die sich auf vielfältige Weise für die palästinensische Sache einsetzt. Wenn führende Vertreter nicht einmal den Unterschied zwischen einer Entführung und einem rücksichtsvollen Gewahrsam verstehen, wird es auch schwierig sein, ihre Warnungen vor israelischen Kriegsverbrechen ernst zu nehmen. Und das zu einer Zeit, in der es gewichtige Gründe für den Verdacht gibt, dass solche Verbrechen begangen werden.“
Simpler Propaganda-Ausflug
Auch Der Tagesspiegel zeigt wenig Sympathie:
„Begleitet wurde die 22-Jährige [Greta Thunberg] unter anderem vom Brasilianer Thiago Avila, der den getöteten Chef der Terrormiliz Hisbollah, Hassan Nasrallah, einen 'Märtyrer' genannt hat. Mit an Bord war auch die Berlinerin Yasemin Acar. Gegen sie hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, weil sie verbotene Hamas-Parolen benutzt und Polizisten angegriffen haben soll. ... So schrumpft die Meeresüberquerung im Namen der Palästina-Solidarität zu einem arg simpel gestrickten Propaganda-Ausflug zusammen. Vielleicht war nichts anderes zu erwarten. Denn Worte des Mitgefühls für die Opfer des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 sind bis heute von Greta Thunberg nicht zu hören gewesen.“
Tel Aviv blamiert sich
Die Aktivisten wollten ein Zeichen setzen und Israel hat es verpasst, positiv darauf zu reagieren, so La Stampa:
„Es sollte eine symbolische Geste sein, um deutlich zu machen, dass man der sinnlosen humanitären Tragödie, die sich in Gaza abspielt, nicht gleichgültig gegenüberstehen kann. Das Schicksal der Bewohner dieses Fleckchens Erde wäre durch diese aufsehenerregende Initiative nicht besser geworden; aber die wie immer unverhältnismäßige Reaktion der israelischen Regierung zeigt einmal mehr, wie schwer es Israel fällt, ein nicht negatives Bild in der öffentlichen Meinung zu erzeugen, und den totalen Mangel einer klaren politischen Linie in Tel Aviv.“