Amoklauf und Messerattacke an Schulen: Was tun?

In einem Gymnasium im österreichischen Graz hat am Dienstag ein 21 Jahre alter ehemaliger Schüler neun Jugendliche und eine Lehrkraft erschossen, anschließend beging er Selbstmord. Gleichentags tötete im französischen Nogent-sur-Marne ein 14-Jähriger bei einer Taschenkontrolle am Schuleingang eine Mitarbeiterin mit einem Messer. Europas Presse diskutiert angesichts dieser Taten, wie und ob Schulen sicherer gemacht werden können.

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Večer (SI) /

Bewaffnung und Repression bringen keine Lösung

Wir sollten uns mit jedem Schritt für eine freundlichere und solidarischere Gesellschaft einsetzen, fordert Večer:

„Mit militaristischem Diskurs, der ständigen Überzeugung, wir müssten mehr Geld in Verteidigung und Rüstung investieren, bis hin zu Forderungen nach der Bewaffnung der Zivilbevölkerung, wie wir sie bereits in unserem Land erlebt haben, entfernen wir uns deutlich von diesem Ziel. So wie Waffen Kriege nicht beenden und keinen Frieden bringen können und werden, können Waffen auch nicht die Lösung für all das sein, was sich in der Gesellschaft aufgestaut hat. Ebensowenig wie verschlossene Schultüren und andere repressive Maßnahmen.“

Naftemporiki (GR) /

Das Problem an der Wurzel packen

Von diesem Fall muss man etwas lernen, betont Naftemporiki:

„Der 21-jährige Täter war legal im Besitz der beiden Waffen, die bei dem Massaker in Graz verwendet wurden. Kaum ein anderes Land in Europa ist so schwer bewaffnet wie Österreich. Das zeigt das 'Small Arms Survey' des Graduate Institute of International and Development Studies in Genf. Demnach gibt es in Österreich 30 Schusswaffen pro 100 Einwohner. Solche Zahlen gibt es sonst [in Europa] fast nur im ehemaligen Jugoslawien. Vor allem der Staat und die Gesellschaft müssen nach den Motiven forschen. Nicht nur, um das abscheuliche Verbrechen aufzuklären, sondern auch, um daraus zu lernen.“

Kronen Zeitung (AT) /

Werden jetzt die richtigen Taten folgen?

Die Kronen Zeitung stellt eine Verschärfung des österreichischen Waffenrechts in den Raum:

„Gut die Solidaritätsbekundungen, die Kerzen, die Tränen von Menschen, die die Opfer kannten oder einfach mit den Hinterbliebenen mitleiden, wie auch die Verhängung der dreitägigen Staatstrauer. Aber gehen wir danach wieder zum Alltag über, als wäre nichts geschehen? Bleiben die Waffengesetze so lasch wie bisher? Kann man sich weiter mir nix dir nix eine Schrotflinte kaufen wie der 21-jährige Steirer und damit reihenweise Menschen ums Leben bringen? Kommt man auch so leicht wie er legal an eine todbringende Pistole? Wir haben jetzt viele richtige Worte gehört. Aber werden den Worten auch die richtigen Taten folgen?“

Kleine Zeitung (AT) /

Keine sicheren Oasen mehr

Die Kleine Zeitung stellt dem mentalen Zustand der Gesellschaft ein schlechtes Zeugnis aus:

„Es ist der Abschied von der Illusion, die Schule sei kein Spiegel der Gesellschaft, sondern ein vorgelagerter Schutzraum, wo man in vertrauter, sicherer Umgebung die Neugier aufs Leben einüben könne. Ausweiskontrollen, Metalldetektoren, versperrte Klassentüren: Über all das wird man jetzt reden müssen. Anders wird man das Schutzversprechen an die Jungen und ihre Eltern nicht mehr einlösen können. Die Gesellschaft ist krank, und das Kranke macht an den Pforten der Schulen nicht mehr halt.“

La Stampa (IT) /

Kreislauf der Gewalt

Die Schriftstellerin Nicoletta Verna nimmt in La Stampa das Thema Mobbing unter die Lupe:

„Es geht um ein Phänomen, das seit Langem bekannt ist, aber nie vollständig in den Blickpunkt gerückt wurde: den Opfer-Täter-Kreislauf. Täter sind häufig Personen, die selbst gemobbt wurden. ... Aus einer im Jahr 2023 in Australien durchgeführten Studie geht hervor, dass etwa ein Viertel der Mobbingopfer ein aggressives Verhalten entwickelt. ... Es geht nicht um 'Rache', sondern um die Nachahmung eines Musters. Es ist der Glaube, dass man nur akzeptiert werden kann, wenn man das, was man erdulden musste, anderen zufügt. ... Mobbing schafft einen ständigen Kreislauf der Gewalt.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Voyeurismus provoziert Nachahmer

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kritisiert sowohl eine wachsende Bewaffnung als auch effekthascherische Berichterstattung:

„Es macht unser tägliches Leben nicht sicherer, wenn Schusswaffen leichter verfügbar werden. In Österreich hat die Zahl der zugelassenen Waffenbesitzer in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, von 200.000 auf 270.000 binnen zehn Jahren. ... Das andere ist ein widerlicher Voyeurismus, der schon kurz nach der schlimmen Tat an der Grazer Schule im Netz feilgeboten wurde. Da kursierten auf allen möglichen Plattformen Bilder vom Polizeieinsatz, der Evakuierung der Schule, ja, sogar von angeblichen Leichensäcken. ... Medien, die sie sich verschaffen und mit Schlagzeilen über 'Horror-Szenen' anpreisen, gehören geächtet. Auch deshalb, weil dergleichen Nachahmer reizen könnte.“

Libération (FR) /

Sicherheitsmaßnahmen allein greifen zu kurz

Libération meint:

„Die Anwesenheit von Ordnungskräften zum Zeitpunkt der Tat [in Frankreich] hebt die Notwendigkeit nicht auf, über geeignete Sicherheitsmaßnahmen nachzudenken, um ähnliche Tragödien künftig zu verhindern. ... Zum Beispiel ist die zunehmende Verbreitung von Stichwaffen zweifellos ein Problem, das angegangen werden muss. Doch der Tod der Aufsichtsperson des Collège Françoise-Dolto in Nogent zeigt auch, dass das Thema Gewalt im schulischen Umfeld viel zu komplex ist, um ihm mit vorgefertigten Sicherheitslösungen beizukommen. Die richtige Antwort liegt vielmehr im Zusammenspiel von pädagogischen und sicherheitsbezogenen Maßnahmen.“

Večernji list (HR) /

Kaum aufhaltbare Selbstzerstörung

Schärfere Waffengesetze verhindern Amokläufe nicht, meint Večernji list:

„Amokläufe sind eine Art von Selbstmord: entweder die Täter nehmen sich am Ende selbst das Leben, die Polizei tötet sie oder sie enden in einer Zelle mit langer Haftstrafe – es sind selbstzerstörerische Taten. Diese Tatsache unterscheidet Amokläufe von anderen Verbrechen und deswegen werden traditionelle Vorbeugemaßnahmen wie stärkere Waffenkontrollen oder höhere Strafen für diesbezügliche Verstöße Amokläufer kaum aufhalten. Diese Täter sind keine Opfer. Aber um künftige Tragödien zu verhindern, muss man die Grundpathologie behandeln, die die Verzweiflung in den Tätern nährt.“

Le Quotidien (LU) /

Wie weit müssen wir noch gehen?

Le Quotidien schließt nicht aus, dass immer striktere Vorsichtsmaßnahmen gegen Jugendgewalt getroffen werden müssen:

„Während in Österreich die Ermittlungen zur unfassbaren Bluttat von Graz gerade erst beginnen, hat die französische Regierung beschlossen, schnell zu reagieren und den Verkauf von Messern an Minderjährige zu verbieten. Ein Verbot, das auch Internetseiten betreffen wird. Frankreichs Präsident kündigte an, soziale Netzwerke für unter 15-Jährige zu sperren, falls die EU das nicht tut. ... Ja, so weit ist es gekommen. ... Müssen wir noch weiter gehen? Immer weiter?“