Alaska-Gipfel: Wird Europas Stimme gehört?
Vor dem Alaska-Gipfelvon Donald Trump und Wladimir Putin am Freitag haben am Mittwoch mehrere europäische Staats- und Regierungschefs versucht, per Videokonferenz den US-Präsidenten auf Eckpunkte möglicher Friedensgespräche festzulegen – darunter eine Waffenruhe auf Grundlage der aktuellen Frontlinie und Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Die Medien erörtern die Erfolgsaussichten.
Der US-Präsident bleibt der Unsicherheitsfaktor
La Stampa traut dem Frieden nicht:
„Das ist zu schön, um wahr zu sein. Donald Trump erklärt sich bereit, in Anchorage [Ort des USA-Russland-Gipfels in Alaska] gegenüber Wladimir Putin als Sprecher der europäischen und ukrainischen Linie aufzutreten. Friedrich Merz, Initiator der Videokonferenz mit den wichtigsten nationalen Führern sowie der EU und der Nato, und Emmanuel Macron sind zuversichtlich. ... Doch die große Unbekannte bleibt wie immer: Was wird Donald Trump tun? Was er in der Videokonferenz gesagt hat, ist so vage, dass die Frage niemand beantworten kann.“
Hauptrolle spielen statt nur einzuflüstern
Europa darf sich nicht mit einer Assistentenrolle begnügen, mahnt Libération:
„Die Europäer sind – wie vor der Zerstörung Gazas durch Benjamin Netanjahu – reduziert auf die Rolle einfacher Zuschauer oder gar Repetitoren für Donald Trump, denn die Angst ist groß, dass dieser seinen Text nicht ausreichend beherrscht. … Europa, die wichtigste militärische Stütze der Ukraine, hat jedoch eine gewisse Anzahl an Trümpfen im Ärmel, darunter zwei Drittel der eingefrorenen russischen Vermögen. Sollte es dem Kontinent gelingen, hinter den Kulissen eine Waffenruhe zu erwirken, wäre bereits das Maximalziel erreicht. Vielleicht ist es an der Zeit, dass er auf die Bühne steigt, um endlich die Rolle zu spielen, die ihm zukommen sollte.“
Europa sitzt nicht am Katzentisch
Die Europäer haben ein gewichtiges Wort mitzureden, findet Zeit-Kolumnist Matthias Krupa:
„Ist Europa uneins? ... Trotz der Zweifel und Diskussionen in vielen europäischen Ländern agiert die Union in der Auseinandersetzung mit Russland erstaunlich geschlossen. Ähnlich ist es im Umgang mit Trump. ... Ist Europa planlos? ... [A]nders als Trump haben Merz, Macron und Starmer eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden könnte – und wie nicht. Ist Europa machtlos? ... Trump mag am Freitag zunächst allein mit Putin verhandeln. Aber wenn er ernsthaft etwas erreichen will, braucht er das Engagement der Europäer. ... [I]n der Auseinandersetzung mit Russland zeigen sich seine Verantwortlichen so entschlossen wie selten zuvor. Das Bild vom Katzentisch kann man vergessen.“
Hörig wie zu Zeiten des Kalten Krieges?
Europa hat sich Trumps Willen so gut wie unterworfen, schreibt hingegen Visão:
„Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass bei dem Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin eine 'Lösung' für den Krieg in der Ukraine gefunden wird – ohne Rücksicht auf die Forderungen Europas oder Kyjiws. Sollte dies eintreten, wäre es, mit gebührendem Abstand betrachtet, eine Rückkehr zu den Anfängen des Kalten Krieges, als Washington und Moskau die Regeln diktierten und die anderen, sprich die Europäer, zuhörten – und schwiegen. Die Realität ist hart. Nachdem sie Trumps Verhandlungserpressung in Bezug auf die Zölle akzeptiert hatten, sind die Europäer für den US-Präsidenten mehr oder weniger irrelevant.“
Trump sattelt sein Trojanisches Pferd
Polen wurde im Gespräch mit Trump durch seinen Präsidenten Karol Nawrocki vertreten, während Premier Donald Tusk davor und danach mit den anderen Europäern sprach. Trump fördert Polens neues Staatsoberhaupt nicht ohne Hintergedanken, meint Gazeta Wyborcza:
„Die amerikanische Seite wollte, dass Präsident Nawrocki anstelle von Ministerpräsident Tusk an dem Treffen teilnimmt. Die Begründung lautete, dass ein Präsident mit einem Präsidenten sprechen sollte. ... Angesichts der Probleme, mit denen Viktor Orbán derzeit in Ungarn zu kämpfen hat (seine Partei verliert in den Umfragen rapide an Boden und es kommen immer neue Skandale ans Licht), könnte sich im nächsten Jahr herausstellen, dass Nawrocki der einzige europäische Trump-Anhänger sein wird, der ein politisches Amt bekleidet. Er wäre damit Amerikas einziges Trojanisches Pferd in Europa.“