Was haben sich Trump und Putin in Alaska zu sagen?
Gespannt schaut die Weltöffentlichkeit auf Alaska, wo sich am Freitag US-Präsident Trump mit Russlands Staatschef Putin trifft. Es ist das erste Treffen zwischen einem amtierenden US-Präsidenten und Putin seit 2021. Beide Seiten wollen sich darüber austauschen, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden kann. Kommentatoren schwanken zwischen Hoffnung und Sorge.
Wenn Unberechenbarkeit auf Zynismus trifft
Corriere della Sera hofft, dass die Stunde des Realismus geschlagen hat:
„Nach drei Jahren diplomatischer Versuche und Misserfolge scheinen nun die Voraussetzungen für echte Verhandlungen gegeben zu sein. Es ist eine wichtige Gelegenheit für die Ukraine, für Europa, für die Vereinigten Staaten und auch für Moskau. Es ist eine direkte Konfrontation zwischen der Unberechenbarkeit Trumps und dem bewährten Zynismus Putins. ... Sollte es jedoch auch dieses Mal schlecht laufen, können wir davon ausgehen, dass die Verantwortung dafür vor allem beim russischen Präsidenten liegen wird. ... Denn Putin muss entscheiden, ob er sich ebenfalls auf den Realismus einstellt oder alles platzen lassen will.“
Weltmachtträume sind größter Antrieb
Die Moskau-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Silke Bigalke, weist darauf hin, dass Putin eigentlich einen noch größeren Plan verfolgt:
„Eine Ukraine, die wieder im Orbit des Kreml kreist, gehört dazu, aber auch Russlands Platz in der Welt. ... Schon jetzt sind alle Spekulationen über Gebietstausch kaum Thema in den russischen Medien, die Bedeutung des Zweiertreffens für bessere Beziehungen zu den USA aber schon. Deren Wert für Putin ist kaum zu überschätzen. Für ihn wäre es schon ein Gewinn, wenn Trump später nachbetet, was Putin ihm eingeredet hat, über Kiews Schuld, über Europas Russlandfeindlichkeit, über den amerikanischen Deep State. Wenn Putin von einer multipolaren Welt spricht, dann meint er eine Welt, in der Russland wieder überall Einfluss hat. In der keiner mehr an ihm vorbeikommt. Alaska ist für Putin ein Anfang.“
US-Präsident könnte sich abspeisen lassen
Eesti Päevaleht befürchtet, dass Putin die Schwächen seines Gesprächspartners genau studiert hat:
„Trump hofft wahrscheinlich, Putin zumindest zu symbolischen Zugeständnissen zu drängen, die er dann als Triumph präsentieren kann. Eines der größten Risiken besteht darin, dass Putin bereit sein könnte, ihm genau das anzubieten. ... Trump neigt dazu, mit übertriebenem Selbstbewusstsein und wenig Vorbereitung zu solchen Treffen zu gehen. Bei Putin besteht jedoch kein Zweifel daran, dass es ihm nicht an Vorbereitung mangelt. Es ist leicht, die richtigen Knöpfe zu drücken, wenn man die Schwachstellen seines Gesprächspartners kennt – zum Beispiel sein inneres Verlangen nach einem Friedensnobelpreis.“
Waffenruhe aus Not möglich
Wirtschaftliche Zwänge könnten Putin zu einem Waffenstillstand drängen, meint Blogger Iwan Jakowyna auf Facebook:
„Ich denke, in den USA wird man sich doch auf einen gewissen Waffenstillstand einigen. Trump braucht diesen dringend. Und Putin benötigt ebenso dringend – ja sogar zwingend – die Aufhebung zumindest einiger Sanktionen, um die Wirtschaft zu retten. Zwar widerwillig, aber beide können einander das geben, was sie brauchen. ... Ich gebe zu, dass es derzeit kaum vorstellbar ist, dass Putin seine Truppen stoppt. Doch er müsste verstehen, dass es ohne Wirtschaft, ohne Geld keine Truppen geben wird. Es wird überhaupt nichts geben.“
Europa hat getan, was es konnte: wenig
Den begrenzten Einfluss europäischer Repräsentanten bei der Online-Konferenz mit Trump am Mittwoch kommentiert Info.cz:
„Das Ergebnis ist vorsichtiger Optimismus hinsichtlich der Umsetzung der Forderungen: sich beim ersten Treffen nur auf einen Waffenstillstand zu konzentrieren und etwaige Verhandlungen über territoriale Veränderungen auf die nächste Phase zu verschieben, an der sich zwangsläufig Ukrainer und, wenn möglich, Europäer beteiligen werden. ... Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben unter den gegebenen Umständen getan, was sie konnten. Sie wissen jedoch, dass sie keinen Einfluss darauf haben werden, was passiert, wenn Trump und Putin sich unter vier Augen treffen.“
Man darf Menschen nicht gegen Frieden tauschen
Bei Gesprächen über Gebietsabtretungen dürfen die Bewohner in den besetzten Gebieten nicht vergessen werden, mahnt Petro Andrjuschtschenko, Leiter des Zentrums zur Erforschung der Besatzung, in einem von Gordonua.com übernommenen Telegram-Post:
„Ich erinnere daran, dass in diesen Gebieten mehr als sechs Millionen Ukrainer leben. Allein im seit 2022 besetzten Gebiet sind etwa drei Millionen unserer Mitbürger. … Deshalb geht es bei jeder Erwähnung eines 'territorialen Kompromisses' in erster Linie um Menschen. Um unsere Mitmenschen, die man hier und jetzt möglicherweise am liebsten vergessen würde. Das darf nicht geschehen. Denkt nur einmal darüber nach, wie ihr ihnen sagen wollt: 'Das war’s, wir haben euch gegen einen Frieden eingetauscht.'“
Anchorage ist nicht München
Vergleiche mit historischen Einigungen wie Jalta oder München, die im Vorfeld des Alaska-Gipfels diskutiert werden, sind nicht zutreffend, meint The Times:
„Keiner dieser historischen Präzedenzfälle würde Gutes für die Ukraine oder Europa erwarten lassen. Die gute Nachricht ist jedoch, dass wahrscheinlich keiner dieser Präzedenzfälle als Vorbild gelten dürfte. ... Die aktuellen geopolitischen Bedingungen und die Ziele des US-Präsidenten unterscheiden sich erheblich von denen früherer gefährlicher Momente in der Geschichte. Putin im Jahr 2025 ist nicht Hitler im Jahr 1938: Er mag ähnliche Absichten hinsichtlich seiner Nachbarn hegen, ist aber nicht in der Lage, diese umzusetzen.“