Europa schwitzt: Wie mit der Dauerhitze leben?
Eine weitere Hitzewelle schiebt sich dieser Tage aus Südeuropa nach Norden. In Spanien und Frankreich wurden Werte von mehr als 40 Grad gemessen, auch Mitteleuropa nähert sich nun solchen Temperaturen. Kommentatoren beschäftigen sich mit der Frage, wie sich Gesellschaft und Wirtschaft an derartige extreme Wetterbedingungen anpassen können.
Alltag steht vor einer Neuformatierung
Die Anpassung an hohe Temperaturen ist eine Herkulesarbeit, unterstreicht Libération:
„Diejenigen, die im Urlaub sind, können im Schatten bleiben, aber denen, die im Baugewerbe, in Bars und Restaurants oder auf Feldern arbeiten, fällt es immer schwerer, die Hitze auszuhalten. Da diese Hitzewellen zur Norm werden sollen, muss sich die gesamte Gesellschaft neu organisieren. … Angefangen bei den Arbeitszeiten und -bedingungen. ... Die [französische Eisenbahngesellschaft] SNCF hat beschlossen, im Süden Züge aufgrund der Hitzewelle zu streichen, was Tausenden Unannehmlichkeiten bereitet hat. Wenn man dies im Hinterkopf behält, bekommt man eine Vorstellung vom enormen Ausmaß der Arbeit, die ansteht, um zu bewältigen, was uns und vor allem künftige Generationen erwartet.“
Wir brauchen viel mehr Klimaschutzräume
El País sorgt sich aufgrund der Hitze um das Wohlergehen vieler Stadtbewohner:
„Fast 80 Prozent der spanischen Bevölkerung leben in Städten, bei deren Planung nicht berücksichtigt wurde, dass die Hitze sie eines Tages unbewohnbar machen könnte. ... Die Stadtbevölkerung ist praktisch zu Hausarrest verurteilt. ... 33,6 Prozent der Haushalte, vor allem von Geringverdienern, haben im Sommer keinen Zugang zu kühlen Temperaturen. Es bleiben nur die Einkaufszentren. Wir brauchen viel mehr Mut bei der Einrichtung von Klimaschutzräumen, die in 36 der 52 regionalen Hauptstädte fehlen. ... Jedes neue urbane Projekt, das diese Realität nicht berücksichtigt, muss sofort abgelehnt werden.“
Kühlen mit Feingefühl
La Vanguardia-Redakteurin Silvia Colomé leidet in einem Café in Barcelona nicht unter der Hitze, sondern der Kälte:
„Ich schreibe diese Kolumne in Strickjacke und mit Gänsehaut. … Bevor mir die Finger einfrieren, stelle ich diese häufig wiederkehrende Frage: Muss man Klimaanlagen so niedrig einstellen? Diese Debatte ist längst zu einem typischen Fahrstuhlthema geworden. ... Experten raten, die Geräte auf höchstens sechs bis acht Grad unter Raumtemperatur zu justieren, um einen Temperaturschock zu vermeiden. Normalerweise kommt es nicht zu diesem Extrem, aber Erkältungen und Halsschmerzen sind durchaus an der Tagesordnung. Ein bisschen kühle Luft ist natürlich willkommen, aber in Maßen, zu unserem eigenen Wohl und um die Folgen für die Umwelt zu mildern.“