UN-Plastikgipfel ohne Einigung: Was nun?

Nach zehn Tagen intensiver Verhandlungen in Genf konnten sich die teilnehmenden Vertreter von rund 180 Staaten nicht auf ein UN-Abkommen zur Verringerung von Plastikmüll einigen. Die seit drei Jahren bestehenden Bemühungen scheiterten vor allem am Widerstand der erdölexportierenden Länder. Europäische Kommentatoren debattieren, wie es weitergehen könnte.

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De Volkskrant (NL) /

Steuer erheben und Verbrauch senken

Europa darf das gescheiterte Abkommen nicht als Vorwand zum Nichtstun nehmen, warnt De Volkskrant:

„Wenn die Welt nicht weniger produzieren will, dann müssen Länder guten Willens, wie die europäischen, dafür sorgen, dass der Verbrauch sinkt. ... Europa möchte bis 2050 eine vollständige Kreislaufwirtschaft erreichen, in der alle Rohstoffe wiederverwendet werden. Dies ist nur möglich, wenn Europa entschlossen alles tut, um den Plastikverbrauch zu senken, und wenn alle Länder die gleiche Steuer auf Plastik erheben und die gleiche Recyclingstrategie verfolgen.“

Ilta-Sanomat (FI) /

Überlebensinstinkt über Gier stellen

Die Bürger dürfen nicht länger die Augen vor diesem akuten Problem verschließen, so Ilta-Sanomat:

„Gier ist nach wie vor stärker als der Überlebensinstinkt – bei Umweltproblemen ist das nichts Ungewöhnliches. Der Plastikgipfel erhielt nicht die internationale Aufmerksamkeit, die er verdient hätte. Denn langwierige Prozesse zur Lösung von Umweltproblemen sind eben nicht so interessant wie akute Krisen und Kriege. Die Plastikflut und ihre Folgen sind jedoch allgegenwärtig.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Reiche können sich Mikroplastik rausfiltern lassen

Die Süddeutsche Zeitung beobachtet:

„Es ist das gleiche Drehbuch wie in der Debatte um den Klimawandel. Auch hier ist die Förderung und Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle das Problem, doch damit wird so viel Geld verdient, dass niemand aufhören will. Schon gar nicht als Erster, denn es wäre ja schrecklich, würde der Nachbar plötzlich reicher als man selbst. ... In der Plastikkrise deutet sich eine Art Ausweg an. Wissenschaftler der Uni Dresden haben einen ersten Beleg dafür erbracht, dass man Mikroplastik mit Blutwäsche wieder aus dem Körper herausfiltern könnte. Bei 21 Personen fanden und entfernten die Forscher so mehrere Kunststoffsubstanzen. Eine Hoffnung – für alle, die sich das einmal leisten können.“

The Guardian (GB) /

Kein Abkommen besser als ein schlechtes

The Guardian ist nicht überrascht:

„Das Beharren auf einer einvernehmlichen Beschlussfassung ermöglichte es einer Minderheit, die erforderlichen Maßnahmen zu verhindern. Es ist zutiefst enttäuschend, dass keine Einigung erzielt werden konnte und auch keine in Sicht ist. Überraschend ist es wohl nicht, in einer Zeit, in der Diplomatie und Multilateralismus straucheln. Viele der Teilnehmer kamen zu dem Schluss, dass keine Einigung besser sei als eine schwache, durch die der Druck für echte Veränderungen nachgelassen hätte. Sie werden ihre Bemühungen fortsetzen. ... Wir können es uns nicht leisten, zu verzagen.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Aufgeben ist keine Option

Um ein Abkommen zu erzielen, ist Ausdauer geboten, meint der Tages-Anzeiger:

„Es ist tragisch, dass die Welt weiterhin kein Abkommen gegen Plastikmüll hat. ... Doch angesichts eines Problems, das grösser und grösser wird, ist Aufgeben keine Option. Für ein Abkommen, das so viele Interessen tangiert, braucht es Ausdauer. Deshalb ist es richtig, dass nun viele Länder weiterverhandeln wollen. So lange gesprochen wird, gibt es Hoffnung auf einen günstigen Moment für einen wirkungsvollen Vertrag. Das Motto muss heissen: dranbleiben.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Aus dem Scheitern lernen und weitermachen

Trotz des Misserfolgs in Genf kann die Menschheit das Plastikproblem in den Griff bekommen, meint der Tagesspiegel:

„Wenn nicht alle mitmachen wollen, dann eben mit einer 'Koalition der Willigen'. ... Und dafür ist keine Zauberei nötig, nicht einmal besonders viel Verzicht. Sondern nur Vernunft. Eine sinnvolle, gezielte, den Wohlstand und die Bequemlichkeit überhaupt nicht bedrohende Produktion von Kunststoff, gepaart mit effektiven, wirtschaftlich funktionierenden Systemen zur Wiederverwertung, ist möglich. All das würde auch Arbeitsplätze schaffen. Die Technologien dafür gibt es, bessere sind in der Entwicklung. Es ist gut, dass es jetzt gar kein Abkommen gibt, anstelle eines schlechten. Jetzt heißt es: Aus dem Scheitern lernen und weitermachen. Es ist, vielleicht, noch nicht ganz zu spät.“