Ein Jahr Draghi-Bericht: Ist die EU auf Kurs?
Er sollte Wachstum, Stabilität und Resilienz bringen: der Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU, den der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi am 9. September 2024 veröffentlichte. Darin machte er zahlreiche Vorschläge, um die EU auf solide Beine zu stellen. Nach einem Jahr fällt die Bilanz der Kommentatoren jedoch ernüchternd aus.
Mehr Tempo, bitte!
Die EU bewegt sich viel zu langsam, beklagt Kauppalehti:
„Früher dominierten Europa und die USA die Weltwirtschaft. Seitdem haben sich die Wege getrennt – insbesondere nach der Finanzkrise. Die USA bewältigten die Krise schneller als die politisch und wirtschaftlich zersplitterte EU. ... Eine große Veränderung ist das beschleunigte Wirtschaftswachstum Chinas seit Beginn des 21. Jahrhundert. … Die Welt verändert sich rasant, aber die Strukturen halten die EU zurück. Die EU sollte in Gang kommen, ohne ihre guten Seiten zu verlieren. Draghi ist der Meinung, dass jetzt weniger Bürokratie und Reden und dafür mehr Taten nötig sind. Das Problem ist, dass auf EU-Ebene nicht erkannt wurde, wie nötig rasche Entscheidungen sind.“
Es braucht 'Koalitionen der Willigen'
Wenn es zusammen nicht geht, sollten einzelne Staaten voranschreiten, fordert Financial Times:
„Von Draghis 383 Empfehlungen, darunter die Integration der Kapitalmärkte, die Stärkung der Lieferketten und die Angleichung der Unternehmensvorschriften, wurden laut einer Untersuchung des European Policy Innovation Council nur elf Prozent umgesetzt. Laut Analysten der Deutschen Bank wurden die größten Fortschritte im Bereich der Verteidigungsindustrie erzielt, wo die größte Dringlichkeit spürbar war. ... Wenn sich nicht alle Hauptstädte einig werden, sollten EU-Länder 'Koalitionen der Willigen' bilden, um bestimmte Initiativen voranzutreiben. Vor allem gilt es, aus der Trägheit auszubrechen, die, wie Draghi bemerkt, manchmal sogar als 'Achtung von Rechtsstaatlichkeit' verkauft wird.“