Ungarn: Blikk von regierungsnahen Kreisen übernommen

Das als regierungsnah geltende Medienunternehmen Indamedia Network hat die auflagenstärkste ungarische Zeitung gekauft: Die Boulevardzeitung Blikk gehörte bislang der Ringier-Gruppe, doch hat das Schweizer Medienhaus nun nach mehr als drei Jahrzehnten sein Medienportfolio in Ungarn abgestoßen. Dem neuen Eigentümer gehört auch das größte ungarische Nachrichtenportal Index. Was bedeutet dies für die Pressefreiheit im Land?

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hvg (HU) /

Das unpolitische Publikum im Visier

Für hvg ist die Absicht der Regierung eindeutig:

„Fünfeinhalb Monate vor den Wahlen 2026, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen versprechen, tut die Regierung alles, um die Umstände zu ihren Gunsten zu verzerren. Dazu muss sie auch Einfluss auf die weniger bewussten Medienkonsumenten von Blikk gewinnen. Diese informieren sich nicht über Politik-Onlinemedien und konsumieren nur ausnahmsweise politische Inhalte. Wenn sie das Blatt jedoch bereits gekauft haben, werden sie auch die zweite Seite durchgehen, die Themen des öffentlichen Lebens gewidmet ist. Und was sie dort lesen, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch glauben. ... Ein demokratisches Land braucht unabhängige Boulevardzeitungen, die ihre Leser schätzen, und aufrichtige, selbstbewusste Boulevardjournalisten. Die Machthaber wissen das. Deshalb zermalmen sie Blikk.“

Magyar Nemzet (HU) /

Zurück zum klassischen Boulevard

Die regierungsnahe Magyar Nemzet stellt die Möglichkeit einer Orbán-freundlichen Einflussnahme bei Blikk in Abrede:

„Was tatsächlich geschieht, ist, dass Blikk, die von ehemaligen Führungskräften der [unabhängigen Wochenzeitung] hvg politisch nach links gedrängt wurde, ihren alten Traditionen wieder folgen wird ... Es ist zu erwarten, dass die Boulevardzeitung zu ihrer seit Jahrzehnten bewährten Ausrichtung zurückkehrt, die Distanz zu politischen Parteien hält und sich wieder auf bunte, aufsehenerregende Nachrichten und Geschichten fokussiert.“

Magyar Narancs (HU) /

Kein Land für guten Journalismus

Die ungarische Medienrealität zwingt Journalisten zu partisanenhafter Arbeit, kritisiert Magyar Narancs:

„Noch ein charakterloser Verlag, der sich als käuflich erwiesen hat. ... Das ist ein Problem, weil dadurch unbemerkt wieder ein bisschen weniger von dem übrig bleibt, was wir in Ermangelung einer besseren Alternative als Journalismus bezeichnen. Womit das Übrigbleibende leider zwangsläufig noch schlechter wird. Denn es gibt – übrigens schon lange – keinen Wettbewerb mehr, weil die Redaktionen zunehmend gezwungen sind, wie Partisanengruppen zu arbeiten. Wir beschäftigen uns nicht ausschließlich damit, gute Artikel zu schreiben, sondern mit der Frage, ob das Regime auch zu uns kommt ... Es ist nicht die Arbeit, die unsere Energie verschlingt, sondern diese Quälerei.“