Rumänien: Film über Justizmissstände schlägt Wellen
Der Dokumentarfilm "Gekaperte Justiz" des Investigativ-Rechercheportals Recorder sorgt in Rumänien für heftige Debatten. Das millionenfach angeklickte YouTube-Video zeigt unter anderem, wie in zahlreichen Korruptionsfällen Verfahren verzögert und Staatsanwälte sowie Richter ausgebremst wurden. Seit Mittwoch demonstrieren in Bukarest und anderen Städten des Landes Menschen gegen die Missstände.
Einschüchterung zeigt Wirkung
Revista 22 schreibt von einer Mafia, die offenbar das rumänische Justizsystem gekapert hat:
„Die Lage ist wirklich ernst. Jahrelang haben ehrliche Richter geschwiegen. Warum, aus Angst vor den Folgen, vor Repressalien? Vielleicht. In der Dokumentation haben sich die interviewten Richter teils verpixeln, ihre Stimme verzerren lassen. Das zeigt, welch große Angst herrscht. Wie vor einer Mafia. Es ist erschreckend, dass in einem demokratischen Staat, ein über die Missstände in der eigenen Branche sprechender Richter Angst hat, seine Identität preiszugeben. … Wenn das Justizsystem von einer Clique im Inneren gekapert wird, wie das derzeit geschieht, gerät es ins Wanken und droht zusammenzubrechen. Dann verlieren nicht die Richter, sondern wir als Gesellschaft.“
Für Veränderung braucht es den Druck der Straße
Die Politik hat gar kein Interesse daran, etwas zu ändern, heißt in Libertatea:
„Leider ist ein Großteil der Leute der Regierung, des Parlaments sowie der Berater im Präsidentenpalast Teil des Systems, den die Recorder-Dokumentation beschreibt. Es gibt nur sehr wenige Menschen in den Machtstrukturen, die keine 'Leiche' im Keller haben und nicht auf eine Justiz angewiesen sind, die beide Augen zudrückt. Die beiden [Premier Ilie Bolojan und Präsident Nicuşor Dan], in die wir noch Hoffnung haben, werden nichts machen können. Sie werden über die wirtschaftliche Lage und die Weltkrise sprechen und sagen, dass Ruhe nötig ist. Sie werden, genau wie einst [Ex-Präsident Klaus] Iohannis im Januar 2017 nur reagieren, wenn der öffentliche Druck stark genug ist.“
Jemand muss Verantwortung übernehmen
Die NGO-Aktivistin Elena Calistru fordert auf der Homepage von republica.ro Konsequenzen:
„Die schlimmste Folge ist gar nicht die Verjährung oder das Strafrecht, das zugunsten des Angeklagten ausgelegt wird. Es ist der Vertrauensbruch zwischen Bürger und Justiz. Wenn große Korruptionsfälle im Sande verlaufen, ist die Botschaft einfach und verheerend: Manche sind unantastbar. Das sorgt für Wut, Populismus und Zynismus. Und bei den Demos in Bukarest wird zurecht gefordert: 'Haushaltsdefizit, sucht es [das Geld] in den Taschen der Korrupten.' Und dafür muss jetzt jemand geradestehen. Politisch. Öffentlich. Verantwortungsvoll. Sonst sehen wir uns heute auf der Abend-Demo wieder!“