Warum entlässt Lukaschenka politische Häftlinge?
Der autoritäre Machthaber in Belarus, Alexander Lukaschenka, hat 123 politische Gefangene freigelassen. Zu den Begnadigten, die gleichzeitig zur Ausreise gezwungen wurden, gehören die Bürgerrechtlerin Maryja Kalesnikawa, der ehemalige Präsidentschaftskandidat Wiktar Babaryka und Friedensnobelpreisträger Ales Beljazki. Die USA hatten zuvor die Aufhebung ihrer Sanktionen gegen die belarusische Kalium-Industrie angekündigt.
Machterhalt von Trumps Gnaden
Die Freilassungen sind Teil von Lukaschenkas Bemühungen, seine Herrschaft zu zementieren, schreibt Rzeczpospolita:
„Lukaschenka gibt wohl die Hoffnung nicht auf, dass seine 'Freundschaft' mit Donald Trump letztendlich auch zur Aufhebung der EU-Sanktionen führen wird. Dann würde seine während des Krieges zwischen Russland und der Ukraine geschrumpfte Wirtschaft endlich wieder aufblühen und er könnte unbeschwert regieren, bis er die Macht an seinen jüngsten (und heiß favorisierten) Sohn Mikalaj übergibt. Ob es dazu kommen wird?“
Europa wurde übergangen
Für Politiken bleibt ein fader Beigeschmack:
„Belarus ist auch der Schauplatz eines hybriden Krieges gegen Europa. Dazu gehören die Schleusung von Migranten in die EU und Hunderte von Schmugglerballons. ... Doch Rücksichtnahme auf Europa spielte bei dem Gefangenenabkommen vom Wochenende keine Rolle. Es wurde über die EU hinweg ausgehandelt und unterstreicht einmal mehr Donald Trumps Verachtung für seine demokratischen Verbündeten. Trump kommt einfach besser mit Autokraten zurecht, die jemanden wie Maria Kalesnikava und viele andere jahrelang gequält haben. Und es immer noch tun. Daran besteht kein Zweifel.“
Gewinn an Image und Geld
Historiker Andrej Subow erklärt auf Facebook, wie Lukaschenka nun profitiert:
„Der belarusische Diktator hat zweifellos sein politisches Image und das Image seines Regimes verbessert. Jetzt gilt er beinahe als Humanist und vernünftiger Mensch. Umso mehr, da er fertigbrachte, sich nicht in Russlands Krieg in der Ukraine einzumischen. ... Die Aufhebung der Sanktionen gegen die wichtigste Exportindustrie von Belarus – die Gewinnung und Verarbeitung von Kalisalz – wird diese Branche beleben, Tausende neuer Arbeitsplätze schaffen und dem Land durch den Verkauf in die USA und weiter in die ganze Welt enorme Einnahmen bescheren. ... Die positive Verhandlungsbereitschaft mit dem Westen ermöglicht es dem Lukaschenka-Regime, stabiler zu werden und seine Abhängigkeit vom Putin-Regime zu verringern.“
Belarus muss jede Hilfe annehmen
Für die Süddeutsche Zeitung ist die Freilassung ein Zeichen der zunehmenden Schwäche des belarusischen Regimes:
„Belarus kämpft wirtschaftlich ums Überleben, und das hat gleich mehrere Gründe: das diktatorische, zum Teil planwirtschaftliche System, die Wirkung westlicher Sanktionen und die Schwäche seines Nachbarn Russland. Lukaschenko ist von Putin abhängig, der aber kämpft zu Hause selbst gegen eine Rezession. Belarus muss jede Hilfe annehmen, die sich ihm bietet, jetzt durch die USA. Für die verbliebenen mehr als tausend politischen Häftlinge in Belarus bedeutet dies neue Hoffnung, dass auch sie demnächst freikommen. Aber es ermuntert Lukaschenko leider auch, wieder neue Gefangene zu machen.“
Gegen Putins Klammergriff stärken
Politologe Serhij Taran erklärt Trumps Motive in einem von Censor.net übernommenen Facebook-Post:
„Der Deal zwischen Belarus und den USA soll Lukaschenka theoretisch von Putin wegziehen und ihm einen Handlungsspielraum verschaffen. Lukaschenka ist bereit, bei diesem Spiel mitzuspielen. ... Trump glaubt, dass Belarus auf diese Weise mehr Souveränität erhält und damit Putins Möglichkeiten geschwächt werden. In den USA ist man der Ansicht, es sei besser, mit zwei kleineren Diktatoren zu tun zu haben als mit einem großen, zu dem Putin werden würde, sollte er Lukaschenkas Belarus endgültig verschlingen.“