Keine Quoten für Flüchtlinge

Die Verteilung von rund 60.000 Flüchtlingen auf alle EU-Staaten nach einer festgelegten Quote ist am Donnerstag gescheitert. Auf dem EU-Gipfel in Brüssel setzten sich damit vor allem osteuropäische Staaten durch. Kommentatoren kritisieren die Osteuropäer für ihre Haltung, waren sie doch einst diejenigen, die aus ihren Ländern flohen. Andere zeigen Verständnis für deren Vorbehalte.

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Sme (SK) /

Osteuropa vergisst eigene Flüchtlingsgeschichte

Die Visegrád-Mitglieder Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien gehören zu den Staaten, die eine Quotenlösung für die Aufnahme der Flüchtlinge strikt ablehnten. Die liberale Tageszeitung Sme hat dafür kein Verständnis, zumal sich Millionen Menschen aus diesen Ländern einst auf die Solidarität anderer verlassen konnten: "Rund sechs Millionen Polen verließen ihr Land während des Kommunismus. Die Mehrheit ging nach Deutschland, 150.000 fanden Asyl in den USA. Etwa 500.000 Bürger flüchteten in zwei großen Wellen nach 1948 und 1968 aus der Tschechoslowakei und fanden Zuflucht. Auch 400.000 Ungarn emigrierten unter den Kommunisten. ... Es stimmt, dass die Visegrád-Länder nicht zu den bevorzugten Zielen der Migranten aus nichteuropäischen Staaten zählen. Dennoch ist es schwer zu verstehen, dass 785 Flüchtlinge, die die Slowakei auf Wunsch der EU aufnehmen sollte, solche Aufregung verursachen. Es handelt sich um 0,01 Prozent der Bevölkerung und macht aus Bratislava kein zweites Damaskus."

Delo (SI) /

Fehlende Solidarität gefährdet die EU

Dass sich besonders osteuropäische Länder gegen die Quote wehren, findet die linksliberale Tageszeitung Delo geschichtsvergessen: "Die Ironie der Geschichte ist, dass die eifrigsten Zaunbauer gerade aus jenen Ländern kommen, deren eiserner Vorhang sie einst selbst an der Flucht in eine schönere Zukunft in den Westen hinderte. Tschechiens Premier Bohuslav Sobotka warnte, dass die Flüchtlinge den Zerfall der EU verursachen könnten. Doch gefährlich sind nicht die Flüchtlinge, sondern das Verhältnis der Mitgliedsländer zu ihnen. Und die fehlende Solidarität mit Ländern, die geografisch die größte Zahl von Flüchtlingen aufnehmen müssen. Auch vor 77 Jahren, als der Westen den Ansturm der jüdischen Flüchtlinge abwehrte, hieß es dort, dass die Länder 'überfüllt' seien und überließ man die Flüchtlinge den Nazi-Schlächtern."

La Stampa (IT) /

Kein Wunder, dass keiner Italien helfen will

Der italienische Regierungschef Matteo Renzi hat den EU-Partnern, die verpflichtende Quoten ablehnten, einen Mangel an Solidarität vorgeworfen. Doch die geringe Hilfsbereitschaft hat Italien sich selbst zuzuschreiben, meint die liberale Tageszeitung La Stampa: "Bei der Registrierung der Flüchtlinge verfuhr Italien bisher nach einer eher seltsamen Methode. Sie basierte auf ungeschriebenen Regeln, wie dem Recht der Flüchtlinge, aus den Aufnahmelagern auszubüchsen und die italienische Staatsgrenze zu erreichen, wozu die Landkarte mit der Route gleich mitgeliefert wurde. ... Das funktionierte, wenn man so will, wie geschmiert. ... Die einseitige Entscheidung unserer Partner, die Grenzen zu schließen, ist zwar diskutabel, doch angesichts der Enthüllungen nachvollziehbar. Denn sie trauen Italien nicht mehr und sie sind nicht im geringsten davon überzeugt, dass wir ab morgen wieder in der Lage sein werden, die Pflicht der Registrierung zu erfüllen und zwischen Flüchtling und illegalen Einwanderern zu unterscheiden."

Kainuun Sanomat (FI) /

Niemand flüchtet ohne Not

Den Menschen zu helfen, die auf der Flucht über das Mittelmeer ihr Leben riskieren, ist Pflicht der EU, appelliert die liberale Tageszeitung Kainuun Sanomat: "Zehntausende Menschen, die ihr Zuhause verlassen haben, harren nun unter unterschiedlichen Bedingungen unter anderem an den Küsten Italiens und Griechenlands aus. Die Aufteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten ist ein Zeichen der Solidarität zwischen den Mitgliedsländern und eine humane Alternative für die in Not geratenen Menschen. ... Langfristig müssen die Ursachen für Menschenhandel und Flucht bekämpft werden. Die humanitäre Krise wird nicht gelöst, indem die auf dem Mittelmeer kreuzenden, beinahe kenternden Boote zurückgedrängt werden. Wenn über Asylbewerber gesprochen wird, darf nie vergessen werden, dass Menschen in der Regel nur unter Zwang von zu Hause flüchten. Wenn jemand einem Menschenschmuggler seinen Besitz gibt, um auf ein Boot zu gelangen, das nicht seetauglich ist, müssen die Bedingungen zu Hause unerträglich sein."