Ex-Securitate-Offizier in Rumänien verurteilt

Erstmals ist ein früherer Securitate-Offizier wegen Folter politischer Gefangener rechtskräftig in Rumänien verurteilt worden. 20 Jahre Haft, lautet das Urteil gegen den 90-jährigen Alexandru Vişinescu. Den Einfluss dieser Entscheidung auf die rumänische Gesellschaft beurteilen Kommentatoren unterschiedlich.

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Contributors (RO) /

Die Taten der Folterer verjähren nicht

Das Urteil ist ein wichtiger Schritt für Rumäniens Vergangenheitsbewältigung, kommentiert der Historiker Dorin Dobrincu auf dem Blogportal Contributors:

„Mit der Verurteilung wird eine starke Botschaft an die Gesellschaft und die staatlichen Institutionen gesendet, dass es keine Verbrechen gibt, die verjähren können. Anders gesagt, nur weil die Zeit verrinnt, läuft nicht die Schuld der Folterer ab. Sie können sich nicht dahinter verstecken, dass sie nur Befehle ausgeführt hätten und nicht die Verantwortung dafür trügen. … Jede Gesellschaft hat ihre Erinnerung und ihr Vergessen. Problematisch wird es aber, wenn schwerwiegende Taten absichtlich ignoriert werden, wenn Opfer keine moralische und juristische Gerechtigkeit erfahren, wenn die Justiz und die Gesellschaft in Gleichgültigkeit und Zynismus verharrt. Jetzt haben wir die Möglichkeit, durch den Fall Vișinescu einen wahren Wandel in unserer Öffentlichkeit zu erleben.“

România liberă (RO) /

Rumäniens Trauma bleibt unverarbeitet

Für die Tageszeitung România Liberă kommt das Urteil gegen den ehemaligen Securitate-Offizier Vişinescu jedoch viel zu spät:

„Die Verbrechen des Kommunismus sind heute viel zu weit weg. Eine bewusste Ignoranz hat sich über uns ausgebreitet. Wir wollen nicht verstehen, dass diese alten Verbrechen unser wackliges Fundament bilden, auf dem wir die Gegenwart aufbauen und das uns unter den Füßen wegrutscht. Unsere aktuelle Maßlosigkeit, unser moralisches Dilemma sind die Folgen einer Vergangenheit, mit der wir gezwungenermaßen abgeschlossen haben, die wir nicht bis zu Ende verstehen wollten, und sie verbannt haben. Nach einem Vierteljahrhundert ist es unsere größte Leistung, einen Gefängnisdirektor aus der stalinistischen Zeit zu verurteilen, der das Pech hatte, zu lange zu leben.“